Die Sünderin
ist im Keller? Wer ist da unten?»
Sie beschrieb ihm einen in zuckendes Licht getauchten Raum. Eine Bar an der linken Wand, eine Menge Flaschen im Regal, dahinter ein Spiegel. In der Ecke gegenüber die Musikinstrumente und die Verstärkeranlage auf einem Podest. «Song of Tiger». Und sie tanzte dazu. Tanzte allein in der Mitte des Raumes. Und rechts an der Wand stand eine Couch, davor ein niedriger Tisch, darauf ein Aschenbecher.
«Song of Tiger»! Es war ein wildes Lied, es war ein wilder Tanz. Dann warf Frankie die Stöcke weg, ging zur Couch und setzte sich neben das Mädchen. Johnny legte ein Band ein, und das Lied dröhnte erneut durch den Raum. Tiger ging zur Bar. Er hatte wieder den Kürzeren gezogen, aber es schien ihn nicht weiter zu bekümmern.
Sie tanzte immer noch. Nicht mehr allein. Johnny hielt sie im Arm und küsste sie. Es war wie ein Traum. Auch dann noch, als er seine Hände unter ihren Rock schob. Sie genoss seine Berührungen. Und diesmal nicht für Magdalena, nur für sich selbst. Man konnte nicht immer für zwei leben.
Irgendwann lagen sie auf dem Boden. Johnny zog sie aus. Es war alles gut. Frankie saß auf der Couch und kümmertesich nicht um sie. Er unterhielt sich mit dem Mädchen. Tiger schnitt an der Bar eine Zitrone in Stücke, streute sich weißes Pulver auf den Handrücken. Dann leckte er seinen Handrücken ab, kippte eine glasklare Flüssigkeit aus einem kleinen Glas hinterher und biss in die Zitrone. Dreimal tat er das. Dann griff er in seine Hosentasche und sagte: «Ich hab uns was mitgebracht. Ein bisschen Koks. Jetzt wird’s gemütlich.»
Rudolf Grovian hörte zu, hielt ihre Hände fest und drückte sie in der Hoffnung, dass sie es spürte. Sie lag immer noch auf dem Boden. Frankie und das Mädchen schauten zu, wie Johnny sie liebte. Tiger kam herübergeschlendert. Er wollte auch seinen Teil. «Mach ein bisschen Platz, Böcki», sagte er.
Johnny tat nichts, um ihn abzuwehren. Und das Mädchen sagte: «Gib ihr eine Prise, das entspannt.»
Es kamen noch ein paar klare Sätze. «Was tust du da? Ich will das nicht. Kein Koks! Mach es wieder weg.» Anschließend gab sie ein wenig Gestammel von sich, nur undeutliches Gemurmel. Dann drehte sie plötzlich mit einem Ruck den Kopf zur Seite. Ihre Stimme klang scharf und atemlos. «Was machst du da? Hör sofort auf damit! Bist du bescheuert? Lass sie los, verdammt nochmal. Du sollst sie sofort loslassen.»
Dann ging ein Ruck durch ihren gesamten Körper. Sie schrie auf. «Nein! Hör auf. Lass das!» Das Schreien ging in Wimmern über. Ihr Kopf flog wieder zu ihm herum, die Augen hatte sie weit aufgerissen. Ihr Blick traf ihn mitten ins Gesicht. Aber er hätte geschworen, dass sie nichts von ihm sah.
«Nicht schlagen! Hör auf, du schlägst sie ja tot! Aufhören! Hört auf, ihr Schweine. Lasst mich los! Loslassen!»
Das kannte er bereits zur Genüge. Nicht ganz in der Fassung, aber so ähnlich hatte er sich das gedacht. Und trotzdem war er nicht auf das gefasst, was dann geschah. Sie zerrte mit erstaunlicher Kraft an ihren Händen, bekam sie frei und sprang auf. Es ging so rasend schnell, dass er nicht reagierenkonnte. Sie hatte die Rechte zur Faust geballt und stieß damit auf seinen Hals hinunter. Dabei keuchte sie: «Ich brech dir das Genick, du Schwein. Ich schlitz dir den Hals auf. Ich schneid dir die Kehle durch.»
Sie zählte exakt die Punkte auf, die der gerichtsmedizinische Befund bestätigt hatte, und stieß bei jedem Satz zu. Einmal, zweimal, dreimal, ehe er ihr Handgelenk zu packen bekam. Und kaum hatte er das rechte im Griff, schlug sie mit der linken Faust auf ihn ein. Es dauerte ein paar Sekunden, ehe er auch das linke fassen und sich aufrichten konnte.
Er hielt sie auf Armlänge von sich, schüttelte sie und schrie sie an: «Frau Bender! Hören Sie auf, Frau Bender.»
Zwei Sekunden lang stand sie noch vor ihm und betrachtete ihn mit einem Blick voller Nichtbegreifen. Sie murmelte etwas, das er nicht verstand. Dann brach sie zusammen.
Professor Burthe machte sich nicht die Mühe, seinen Zorn zu verbergen. Dass ein Kripobeamter eine psychisch schwer gestörte Persönlichkeit mit seinen Fragen zum zweiten Mal in den Zusammenbruch trieb, obwohl man ihn gewarnt hatte! Man konnte nur den Kopf schütteln und sich erkundigen: «Was fällt Ihnen ein? Hatte ich Ihnen nicht deutlich zu verstehen gegeben, dass Sie mit Frau Bender nicht umgehen können wie mit einer gewöhnlichen Kriminellen? Das war das letzte
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