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Die Sünderin

Die Sünderin

Titel: Die Sünderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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auf entsprechend veranlagte Männer wie eine Herausforderung gewirkt haben.
    An dieser Stelle erhob Rudolf Grovian den ersten Einwand. «Wenn Sie damit andeuten wollen, sie sei auf den Strich gegangen, das ist sie nicht. Ihre Schwester hat es von ihr erwartet oder sogar verlangt, wenn ich das eben richtig verstanden habe. Aber sie konnte nicht.»
    Sein Gegenüber lächelte. Es war ein sehr wissendes Lächeln. «Sie konnte sehr wohl, Herr Grovian. Nach dem Tod ihrer Schwester hat sie für sich die schlimmste Art von Bestrafung gewählt, die sie sich vorstellen konnte. Perverse Freier. Sie hat mir ein paar Praktiken geschildert. Ich bin einiges gewohnt, aber da wurde sogar mir das Zuhören beinahe zu viel. Sie werden zugeben, Herr Grovian, dass keine Frau solch eine Betätigung zugibt, wenn sie sie nicht auch tatsächlich ausgeübt hat. Es war das Bedürfnis nach Sühne, gekoppelt mit dem unterschwelligen Wunsch nach einem inzestuösen Verhältnis zum Vater.»
    «Das ist doch Schwachsinn», protestierte Rudolf Grovian und hörte, wie lahm es klang, als sei er trotz des Widerspruchs halbwegs überzeugt von Burthes Ansicht. Aber so war es nicht. Es war nur Fassungslosigkeit, die ihm die Sprache verschlug, die Sicherheit, mit der es ausgesprochen wurde. Als hätte Burthe daneben gestanden und zugeschaut.
    Das hatte er auch, natürlich nur im übertragenen Sinne. Was er vor Rudolf Grovian ausbreitete, war, wie er betonte, Cora Benders innere Überzeugung. Als geschulter und aufmerksamer Beobachter war Burthe imstande, die Bröckchen Wahrheit aus dem großen Haufen Lügen zu fischen.
    «Ich fürchte», sagte Rudolf Grovian trocken, «bei dieser Sache haben Sie ein paar Lügen gefischt. Ich weiß nicht, warumsie Ihnen so einen Unsinn erzählt. Aber es kommt zeitlich gar nicht hin. Sie war   …»
    Er wollte erklären, was er eben herausgefunden hatte. Dass es von Magdalenas Geburtstag ohne Zeitverzögerung in den Keller ging, und danach war Oktober gewesen. Mit einer Handbewegung wurde er unterbrochen. Es ging hier nicht um Zeit. Es ging auch nicht um Prostitution. Es gab keinen Grund, sich zu ereifern.
    Es ging nur um den Tod von Georg Frankenberg, um Cora Benders Motiv und ihre Einsichtsfähigkeit. Die war nicht vorhanden. Cora Bender war schuldunfähig. Man konnte sie nicht zur Verantwortung ziehen für ihre Tat. Es war am See nicht eine Sekunde lang um den Mann und sein Verhalten gegangen. Die Frau war der Auslöser gewesen.
    In dem Augenblick hörte Rudolf Grovian sie wohl sagen: «Der Mann hatte Pech, weil er oben lag.» Er schüttelte trotzdem den Kopf. «Ich weiß nicht, wie Sie auf den Gedanken gekommen sind, Herr Burthe. Und Sie machen einen großen Fehler, wenn Sie den Keller so einfach abtun. Ich habe es jetzt zweimal erlebt! Und ich bin auch ein geschulter und aufmerksamer Beobachter. Frau Bender wurde in einem Keller von zwei Männern missbraucht und beinahe umgebracht. Bei dieser Gelegenheit wurde ein weiteres Mädchen getötet, höchstwahrscheinlich von Georg Frankenberg. Deshalb musste er sterben.»
    Inzwischen hatte sich Professor Burthe vollends beruhigt, lehnte sich in seinem Sessel zurück, musterte ihn mit nachdenklichem Blick und wollte wissen: «Woraus ziehen Sie Ihre Sicherheit? Aus Frau Benders Worten? Oder haben Sie Beweise?»
    Nein, verdammt. Er hatte insgesamt nur Worte. Hier ein paar und da ein paar. Horst Cremer, Melanie Adigar und Johnny Guitar! Es stand nicht einmal fest, dass Hans Böckel und Johnny Guitar identisch waren. Und Böckel war sein einzigesVerbindungsglied zu Frankenberg. Man konnte doch vor Gericht nicht mit dem «Song of Tiger» argumentieren.
    «Sie tut Ihnen Leid», stellte Professor Burthe fest, als er nicht antwortete. Es klang wie ein Urteil und blieb als unumstößliche Tatsache im Raum stehen. «Sie haben den Wunsch, ihr zu helfen und bemühen sich, eine rationale Erklärung zu finden. Sie haben eine Tochter, nicht wahr? Wie alt ist Ihre Tochter, Herr Grovian?»
    Als wieder keine Antwort kam, nickte Burthe sich selbst eine Zustimmung und sprach weiter in diesem verständnisvollen Ton, der Rudolf Grovian zur Weißglut brachte. «Ich habe nicht nur das letzte Band abgehört und verstehe Ihr Engagement. Eine junge Frau, die nichts anderes wollte als ein ganz normales Leben, so hilflos, so verzweifelt. Zerstört von Umständen, die sie nicht beeinflussen konnte, bettelt sie um Verständnis. Da steht sie einem gegenüber, völlig aufgelöst. Sie stammelt ihren Hilferuf und

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