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Die Sünderin

Die Sünderin

Titel: Die Sünderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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auf ihn als ihren Anwaltgefallen. Aber sie brauchten einen unparteiischen Zeugen. Nach Möglichkeit einen, auf den sie positiv reagierte. Sonst, meinte der Professor, sei jeder Versuch sinnlos. Niemand brächte zurzeit ein Wort aus Frau Bender heraus.
    Es waren zwanzig Aufnahmen, die er in seinem Koffer hatte. Er wusste nicht, wen sie darstellten. Rudolf Grovian hatte ihm die Fotos kurz nach Mittag in die Kanzlei gebracht. Das Polizeilabor hatte eine Nachtschicht eingelegt. Zwanzig Männerköpfe, alle etwa im gleichen Alter. Und nichts als die Köpfe abgebildet. Bei jedem war der Hintergrund so verschwommen, dass er nicht den kleinsten Anhaltspunkt bot.
    Er nahm einen Schluck Kaffee und stellte die Tasse wieder ab. Sie war bereits bei fünfundvierzig, als er sich endlich überwinden konnte, sie zu unterbrechen. «Hören Sie auf damit, Frau Bender. Sie werden sich jetzt diese Fotos ansehen. Ich weiß nicht, ob ein Foto von Frankie dabei ist. Wenn Sie eines sehen, sagen Sie es mir. Dann nehme ich es weg. Sie müssen ihn nicht anschauen. Nur die anderen. Sagen Sie mir, wenn Sie jemanden erkennen. Und nennen Sie mir den Namen, wenn Sie ihn wissen.»
    Sie brach ihre Zählerei tatsächlich ab. Er hatte nicht damit gerechnet und fasste es als einen persönlichen Erfolg auf. Als er sich nach dem Koffer bückte, kam der Pfleger zum Tisch und baute sich daneben auf.
    Es beruhigte Eberhard Brauning ein wenig, den Mann näher bei sich zu haben. Nicht dass er Angst gehabt hätte. Aber für den Fall eines Falles. Wo sie sogar auf Grovian losgegangen war. Er zog einen Umschlag heraus und legte ihn auf den Tisch. Es war ein großer brauner Umschlag. Er nickte ihr aufmunternd zu, während er die Aufnahmen herausnahm.
    Sie starrte die Fotos an wie ein Gewimmel giftiger Reptilien. «Woher haben Sie die?», wollte sie wissen.
    «Herr Grovian brachte sie heute Mittag.»
    In ihren Augen flackerte Interesse auf. «Wie geht es ihm?»
    «Gut. Ich soll Sie schön grüßen.»
    «Ist er böse auf mich?»
    «Nein, warum sollte er?»
    Sie beugte sich über den Tisch zu ihm hinüber und wisperte: «Ich habe ihn doch gestochen.»
    «Nein, Frau Bender.» Er schüttelte energisch den Kopf. «Das haben Sie nicht. Geschlagen haben Sie nach ihm. Aber das versteht er. Er hat Sie gereizt, und Sie waren sehr aufgeregt. Er ist Ihnen wirklich nicht böse. Er möchte, dass Sie sich die Fotos anschauen. Er hat eine Menge Lauferei gehabt, ehe er sie alle beisammen hatte. Es ist sogar eines von seinem Schwiegersohn dabei, hat er mir erzählt.»
    Sie lehnte sich wieder zurück, schürzte die Lippen und verschränkte die Arme über der Brust. «Na schön. Ich schaue sie mir ja an.»
    Er schob ihr den Packen zu. Sie beugte sich wieder vor und betrachtete die erste Aufnahme, schüttelte den Kopf, nahm sie vom Packen und legte sie zur Seite. Die zweite, die dritte, die vierte, jedes Mal ein Kopfschütteln. «Welcher ist denn der Schwiegersohn?», erkundigte sie sich bei der fünften.
    «Das weiß ich nicht, Frau Bender. Ich darf das auch nicht wissen.»
    «Schade», murmelte sie. Bei der sechsten Aufnahme stutzte sie, runzelte die Stirn, legte einen Finger an die Lippen und begann am Nagel zu kauen. «Könnte er das sein? Den habe ich einmal gesehen. Aber ich weiß nicht wo. Wie er heißt, weiß ich auch nicht. Was machen wir jetzt mit ihm?»
    «Wir legen ihn zur Seite», sagte er.
    Sie betrachtete die siebte und achte Aufnahme. Bei der neunten kniff sie die Augen zusammen und verlangte heiser: «Tun Sie es schnell weg! Das ist Frankie.»
    Er nahm das Foto an sich und schob es zurück zwischen die, die sie bereits aussortiert hatte. Sie brauchte ein paar Minuten, ehe sie weitermachen konnte. Der Pfleger legte ihr beruhigendeine Hand auf die Schulter. Sie schaute zu ihm auf und nickte mit zusammengepressten Lippen. Dann widmete sie sich der zehnten, elften und zwölften Aufnahme.
    Bei der dreizehnten sagte sie: «Das Schwein will ich überhaupt nicht kennen. Und ich will auch nicht wissen, wie er heißt.» Sie schob das Foto mit einem energischen Ruck zu ihm hinüber.
    «Ich muss aber wissen, wie er heißt, Frau Bender», erklärte er.
    «Tiger», sagte sie knapp und betrachtete ausgiebig die vierzehnte Aufnahme. Bei der fünfzehnten überzog ein Lächeln ihr Gesicht.
    «Mein Gott, hat der eine große Nase.»
    «Kennen Sie ihn?»
    «Nein. Aber schauen Sie sich mal seine Nase an.»
    Es lief besser als erwartet. Er war stolz auf sich und rechnete nicht mehr mit einem

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