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Die Sünderin

Die Sünderin

Titel: Die Sünderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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Blödmann selbst nicht.› Der Mann fragte mich, was ich von Georg Frankenberg wollte. Ich sagte nur, dass ich mit ihm befreundet gewesen sei und ihn gerne wieder sehen möchte. Und der Mann sagte, da müsse ich nach Köln kommen.»
    In dem Moment wurde Rudolf Grovian stutzig und sah sich gezwungen, alles in Frage zu stellen. Da hätte Werner Hoß gar nicht so demonstrativ das Gesicht verziehen müssen. Sein Name ist Georg Frankenberg! Das waren seine Worte. Er wusste nicht, was er von dieser Formulierung halten sollte. Georg Frankenberg war – außer für seine Eltern   – Frankie gewesen, sogar für seine Frau. Das nahm dem Freund aus Köln jede Substanz. Er fragte trotzdem: «Hatte der Mann auch einen Namen?»
    Sie hörte sein Misstrauen. Aber den Patzer mit dem Fahrzeug hatte er anscheinend nicht registriert. Und dass es um Margret ging, glaubte sie nicht mehr so recht. Das hätte er ihr doch längst ins Gesicht gesagt. Ihm ging es nur um Georg Frankenberg und die Namen von Freunden, die ihre Geschichte bestätigten. Sie konnte ihm keine Namen geben. Nicht einmal aus Versehen oder in Verwirrung konnte sie Namen ausplaudern.
    «Ich überlege ja schon. Es war ein komischer Name. Ich komme im Moment nicht drauf. Ich bin sehr müde.»
    «Und die Telefonnummer?»
    «Tut mir Leid, die habe ich vergessen. Nummern konnte ich mir nie merken.»
    «Die Adresse?»
    Sie hob die Achseln an, erklärte leise: «Weiß ich nicht mehr. Vielleicht fällt mir morgen wieder ein, wie die Leute hießen und wo sie wohnten. Wenn man sich unbedingt an etwas erinnern will, geht es überhaupt nicht. Man kann so etwas nicht erzwingen, wissen Sie.»
    «Ja, ich weiß», sagte Rudolf Grovian. «Und wenn man das Blaue vom Himmel lügt, taugen Erinnerungen sowieso nicht viel. Sie sind also der Einladung dieses Mannes gefolgt?»
    Sie nickte mechanisch. In ihrem Kopf schien eine Art Dammbruch stattgefunden zu haben. Ein wüstes Knäuel von Bildern und Worten schoss aus der Bruchstelle und wirbelte ihr durchs Hirn. Die vier Leute auf der Decke am See. Das Lied. Die Äpfel aus dem Supermarkt und die aus dem Garten. Die Geschichte, die sie erzählt hatte, und der Film, in dem ein junger Mann und ein Mädchen eine Treppe hinunterstiegen.
    Zudem spuckte der Berg Erinnerung weitere Steine aus und warf sie durchs Gelände. Mutter, Vater, Magdalena, Horsti, Johnny, Margret und Gereon. Viele Namen. Zu viele. Es waren ein paar dabei, die sie nie gehört hatte. Lächerliche Namen, Böcki und Tiger. In ihrem Gesicht zuckte es wie kurz vor einem Tränenausbruch. «Das hätte ich mir besser erspart. Frankie wollte nichts mehr von mir wissen.»
    «Wer ist Frankie?», fragte der Chef.
    Sie zuckte zusammen. «Was?»
    «Wer ist Frankie?», wiederholte Rudolf Grovian und hatte Mühe, die Frage in Neutralität zu packen. Er warf Werner Hoß einen triumphierenden Blick zu. Darauf hatte er gewartet. Für ihn war es die Bestätigung. «Sie sagten, Frankie wollte nichts mehr von mir wissen, Frau Bender. Wer ist Frankie?»
    Es war ihr nicht bewusst, was sie gesagt hatte. Und dass sie den Namen am See gehört hatte, hatte sie vergessen. «Was habe ich gesagt? Tut mir Leid. Ich bin wirklich sehr müde.»
    Sie fasste mit einer Hand an die Stirn. Ihre Augen huschten über die Schreibtische, erfassten Werner Hoß und blieben an ihm haften, als könne er der Quälerei ein Ende machen. Es war nur noch Quälerei. Dieser prall gefüllte Kopf. Wie ein Schubfach, in das sie zu viel hineingestopft hatte. Nun quoll alles auf einmal heraus.
    Nur das kleine Messer, das sie dringend brauchte, fand sie nicht. Sie hätte erst alles sortieren müssen. Und wenn sie alles sortiert hatte, hätte sie festgestellt, das Messer war nicht im Schubfach gewesen. Es lag auf dem Tisch, auf dem die Zitronen geschnitten wurden, sichtbar für jeden, der hereinkam. Nur sie hatte es nicht gesehen. Weil sie zu tief lag und der Tisch zu hoch war. Und vor dem hohen Tisch stand ein kleiner, dicker Mann. Er hatte sich weißes Pulver auf den Handrücken gestreut, leckte es ab, trank etwas und biss in die Zitrone.
    «Sagen Sie ihm, er soll aufhören», stammelte sie, den Blick auf Werner Hoß gerichtet. «Sagen Sie ihm, er muss mich jetzt in Ruhe lassen, sonst werde ich verrückt. Ich sehe lauter komische Dinge, nur so blöde Sachen. Sie werden sich schieflachen, wenn ich Ihnen davon erzähle.»
    Sie schüttelte sich wie ein Hund mit nassem Fell, senkte den Kopf und betrachtete ihre Hände. «Mir ist mal etwas

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