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Die Sünderin

Die Sünderin

Titel: Die Sünderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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Bett, fast so tot wie Georg Frankenberg und doch nicht fähig, Schlaf zu finden.
    Sie grübelte, ob Margret Vater schon angerufen hätte. Wahrscheinlich nicht so spät in der Nacht! Es gab kein Telefon im Haus der Eltern. Wenn man ihnen eine dringende Nachricht zukommen lassen wollte, musste man in der Nachbarschaft anrufen und Vater erst holen lassen. Und Grit Adigar mitten in der Nacht aus dem Bett klingeln   … Grit!
    Sie war so wund. Nie zuvor hatte sie etwas Ähnliches empfunden. Und jetzt breitete es sich aus. Sehnsucht nach früher!Noch einmal an Magdalenas Bett sitzen und von draußen erzählen. Von der Disco, von wilder Musik, grellem Licht und jungen Männern. Und Magdalenas Fragen beantworten. «Wie ist das mit Koks? Das soll ein irres Gefühl sein. Man erlebt alles viel intensiver, vor allem den Sex. Hast du es schon mal probiert? Wie war es? Erzähl.»
    Noch einmal vor dem Altar knien. Noch einmal die Hände falten. Noch einmal flehen, der Erlöser möge die Kraft zum Verzicht geben und Magdalena den nächsten Tag. Und dann hinüberlaufen zu Grit, die regelmäßig fragte: «Na, Cora, alle Pflichten erfüllt für heute?»
    Alle Pflichten erfüllt! Nicht nur für heute – für alle Zeit.
    Einen Mann getötet – Georg Frankenberg! Ein Lied gehört – Song of Tiger! Ein Märchen erzählt – Alice im Wunderland! Vaters Fassung – und machte sich ihre eigene Welt. Dachte sich Leute aus, die nicht existierten – Böcki und Tiger.
    Das Schlimmste war zu spüren, wie der Verstand bröckelte, wie er mürbe wurde, mehr und mehr an Substanz verlor. Am Ende könnte man ihn zwischen zwei Fingerspitzen zerbröseln. Gegen fünf am Morgen schlief sie endlich ein.
     
    Um die Zeit lag Rudolf Grovian auf der Couch im Wohnzimmer. Die Arme hatte er unter dem Nacken verschränkt. Er betrachtete die dunkle Zimmerdecke und hörte ihr Betteln: «Schalten Sie das Licht wieder ein.»
    Um drei war er heimgekommen, aufgewühlt, erschöpft und ein wenig deprimiert von dem Bewusstsein, dass er etwas angefangen hatte, dessen Beendigung er anderen überlassen musste. «Helfen Sie mir!» Er konnte ihr nicht helfen. Alles, was er für sie tun konnte, war, zu beweisen, dass Johnny Guitar und Georg Frankenberg identisch gewesen waren.
    Werner Hoß zweifelte daran, und was Hoß an Argumenten vorbrachte, war nicht so einfach von der Hand zu weisen.Dreimal hatten sie sich die beiden wichtigsten Bänder angehört, ehe sie Feierabend machten. Das erste und das letzte. Hoß plädierte für das erste. «Es war das Lied.» Er meinte, das sei die Antwort. Und mit dieser Antwort sei das Gestammel auf dem letzten Band ja nicht in Frage gestellt. Es seien lediglich zwei Paar Stiefel. Man könne doch nicht wissen, was in einem Kopf vorginge, der neunzehn Jahre lang mit der Bibel geprügelt und vor fünf Jahren von einer Kristallpranke zerbrochen worden wäre.
    Rudolf Grovian hatte sich ins Bett gelegt und so lange herumgewälzt, bis Mechthild verlangte: «Rudi, tu mir den Gefallen und leg dich auf die Couch. Dann kann wenigstens ich schlafen.»
    Er hatte es sich schon vor langer Zeit abgewöhnt, mit ihr über seinen Beruf zu sprechen. Mechthild hatte ihre eigene Auffassung von Recht, Gesetz und Gerechtigkeit. Sie verbrachte zwei Nachmittage in der Woche in der Kleiderkammer der Caritas, verteilte abgelegte Mäntel und Hosen an gescheiterte Existenzen und andere Bedürftige. Ehrenamtlich, versteht sich! Und wenn er ihr früher erzählt hatte, dass wieder mal eine dieser gescheiterten Existenzen mit einer Knarre in der Hand in eine Sparkassenfiliale marschiert war, hatte Mechthild regelmäßig gesagt: «Ach, der arme Kerl.»
    «Ist Marita gut heimgekommen?», fragte er, um überhaupt etwas zu sagen und in der Hoffnung, dass sie ihn fragte, warum es so spät geworden und was denn los gewesen sei. Irgendwie war es ihm ein Bedürfnis, von ihr zu hören: «Ach, das arme Geschöpf.»
    «Ich nehm’s an», sagte sie.
    «Was hat sie dir erzählt? Sie hat dir doch was erzählt. Ich meine, ich hätte was von Anwalt gehört.»
    «Rudi», kam es gedehnt und gequält. «Lass uns morgen in Ruhe darüber reden. Sieh mal auf die Uhr.»
    «Morgen habe ich keine Zeit. Ich will es jetzt wissen.»
    «Sie will sich scheiden lassen», seufzte Mechthild.
    «Was?» Es war nicht einmal wert, vom Kissen hochzuschießen. Er hatte es ja bereits befürchtet. «Wenn es dem Esel zu wohl wird», sagte er, «geht er aufs Eis.»
    «Rudi», seufzte Mechthild erneut. «Sie tut es

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