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Die Sünderin

Die Sünderin

Titel: Die Sünderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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von A bis Z.
    «Haben Sie ein Geständnis?»
    «Wir haben eine Aussage», sagte Rudolf Grovian. Er erklärte, wie er darüber dachte, erwähnte auch den Schwächeanfall. Vertuschen ließ sich das nicht. Und beschönigen wollte er es nicht. Er beschrieb ihr Schwanken zwischen Klarheit und Verwirrung und schloss mit Margret Roschs Worten über die Albträume.
    «Ich möchte, dass Sie sich das hier anhören.» Auf sein Zeichen schaltete Werner Hoß das Bandgerät ein. Cora Benders Stimme ließ den Staatsanwalt die Stirn runzeln. Auf den Schwächeanfall ging er nicht ein. Seine Miene machte deutlich, was er davon hielt. So etwas durfte einfach nicht passieren. Er lauschte sekundenlang dem Gestammel vom Band,murmelte: «Guter Gott» und machte eine bezeichnende Geste vor der Stirn. «Ist sie   …»
    Werner Hoß hob bedeutsam die Schultern. Rudolf Grovian schüttelte nachdrücklich den Kopf. Und der Staatsanwalt wollte wissen, ob sie ihnen etwas vorgespielt haben könnte.
    «Nein!», sagte Rudolf Grovian. Einen kleinen Seitenhieb konnte er sich nicht verkneifen. «Wenn Sie dabei gewesen wären, müssten Sie die Frage nicht stellen. Diese Bänder sollten sich Leute anhören, die sie interpretieren können. Und wenn ich sage anhören, meine ich das auch. Mit einem schriftlichen Bericht ist es nicht getan. Sie schleppt ein tüchtiges Päckchen mit sich herum.» Er gab ein paar Stichworte zur Kindheit. Religiöser Fanatismus und das Ding, von dem sie sich vorgestellt hatte, es müsse abfaulen.
    «Und dann das», sagte er. «Wir werden uns morgen darum kümmern. Viel haben wir nicht in der Hand, das gebe ich zu. Nur die paar Sätze. Aber wir sollten zumindest nachfragen. Vielleicht ist zur fraglichen Zeit ein junges Mädchen aus Buchholz verschwunden. Vielleicht haben die da oben sogar eine Leiche mit gebrochenen Rippen.»
    Der Staatsanwalt zuckte mit den Achseln, blätterte in den Zeugenaussagen und überflog den Obduktionsbericht. Dann hob er den Kopf und meinte: «Wir haben auch eine, vergessen Sie das nicht. Unsere hat zwar keine gebrochenen Rippen, aber mir reicht das hier dreimal. Es ist selten, dass sich jemand so präzise erinnert, wohin er oder in diesem Fall sie gestochen hat.»
    «Was heißt hier präzise», sagte Rudolf Grovian. «Sie hat die Punkte aufgezählt, an denen ein Stich tödlich sein kann. Ihre Tante ist Krankenschwester, bei der hat sie eineinhalb Jahre gelebt. Da könnte sie sich ein bisschen medizinisches Wissen angeeignet haben.»
    Der Staatsanwalt betrachtete ihn sekundenlang mit unbewegter Miene. «Das wären dann aber merkwürdige Gesprächegewesen bei der Tante», meinte er. «Und sie hat die Punkte nicht nur aufgezählt, Herr Grovian. Sie hat sie auch getroffen.»
    Das wusste er ja, auch wenn er es nicht mit eigenen Augen gesehen hatte. Und er wusste auch, dass derart präzise Angaben äußerst selten, um nicht zu sagen die große Ausnahme waren. Bei einer Tat im Affekt erinnerte sich anschließend kein Mensch an den exakten Ablauf. Und es war ein Affekt gewesen. Etwas anderes konnte es gar nicht gewesen sein. Und ihm war es wichtig, dass der Staatsanwalt sich seiner Meinung anschloss. «Wollen Sie mit ihr reden?», schlug er vor. «Ich kann sie holen lassen.»
    Der Staatsanwalt schüttelte den Kopf. «Lassen Sie sie schlafen. Es muss eine harte Nacht für sie gewesen sein. Aber meine war auch nicht angenehm. Nach einer Fortsetzung ist mir im Moment nicht.»
    Arschloch, dachte Rudolf Grovian.
     
    Es war später Vormittag, als Berrenrath sie weckte. Dass er längst daheim in seinem Bett hätte liegen können, wusste sie nicht. Und wenn er es ihr gesagt hätte, es hätte sie kaum noch interessiert. In der Nacht mochte seine Freundlichkeit einen gewissen Wert gehabt haben. Jetzt war Berrenrath nur noch ein Glied in der Kette, mit der sie zurückgeprügelt und gefesselt worden war in der Vergangenheit.
    Sie hatte einen schalen Geschmack im Mund, aber der Kopf war wieder völlig klar und kalt, als sei ihr Gehirn im Schlaf erfroren. Nun war die Angst in einem Eisblock eingeschlossen – und mit der Angst jedes andere Gefühl.
    Sie bat um ein Glas Wasser. Das bekam sie, Mineralwasser. Es tat gut, sie trank in kleinen Schlucken. Wenig später brachte Berrenrath sie zurück in das Büro des Chefs.
    Dort bot man ihr ein Frühstück. Der Chef war da, der andere auch, diesmal mit einer hellen Stoffhose und einem dezentgemusterten Hemd bekleidet. Beide Männer wirkten übermüdet. Und besorgt waren sie,

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