Die Sünderinnen (German Edition)
Stimme. »Ich weiß, ich weiß. Keine voreiligen Schlüsse. Aber der Täter hat das neue Opfer, eine gewisse Eva Maria Garden, genauso zugerichtet. Viele Einstiche und ein eingeritztes, durchbohrtes Herz. Höchstwahrscheinlich sogar dieselbe Tatwaffe.«
»Schon gut«, brummte Pielkötter und verstummte sofort wieder. Tapfer kämpfte er gegen ein Würgegefühl an.
Irritiert starrte Barnowski seinen Chef an. Der war doch sonst härter im Nehmen, aber dann fiel ihm ein, dass Pielkötters dicke Knollennase schon ein wenig grünlich gewirkt hatte, bevor er das Verbrechen geschildert hatte.
»Wohl gefeiert, was?«
Unverschämter Schnösel, dachte Pielkötter und guckte dementsprechend grimmig.
»Na, dann eben ein Virus oder die falsche Frikadelle.«
»Konzentrieren Sie sich lieber auf die Fakten in dem neuen Mordfall!«, tadelte Pielkötter verärgert.
»Das Opfer war Ende vierzig, geschieden und lebte zusammen mit ihrem Sohn. Der Sohn befand sich zur Tatzeit auf einer Klassenfahrt, soll aber auf dem Rückweg sein.«
»Tatort?«
»Frau Garden ist in ihrer Garage ermordet worden. Doppelgarage. Sie lag auf dem Boden neben ihrem Auto.«
»Wer hat die Tote gefunden?«
»Eine Nachbarin. Sie hatte einen Schlüssel zur Wohnung, für alle Fälle. Hat dort wohl öfter die Blumen gegossen.«
»Aber diese Eva Maria Garden war doch gar nicht im Urlaub oder sonst irgendwie abwesend«, wandte Pielkötter ein und versuchte die andauernde Übelkeit durch eine unausgegorene Atemtechnik in den Griff zu bekommen.
»Die Frau ist wohl auch nur ins Haus gegangen, weil der Sohn sie darum gebeten hat«, erwiderte Barnowski wie aus der Pistole geschossen. »Er war beunruhigt, weil er seine überbesorgte Frau Mama jeden Abend anrufen musste, sie aber tagelang nicht zu erreichen war. Heute Morgen in aller Frühe hat er sich dann bei der Nachbarin gemeldet.«
»Wie viele Nächte hat er denn vergeblich anzurufen versucht?«
»Zwei«, antwortete Barnowski seufzend. »Leider liegt die Tatzeit damit schon weiter zurück, als uns lieb sein kann.«
»Hat der Sohn des Opfers die Fahrt eigentlich abgebrochen? Oder stand die Rückfahrt ohnehin an?«
»Soviel ich weiß, sind die Klassenkameraden noch vor Ort. Er kehrt allein zurück. Ist übrigens schon volljährig.«
»Immerhin etwas«, brummte Pielkötter. »Es gibt fast nichts Schlimmeres als Minderjährige über den gewaltsamen Tod ihrer Eltern aufzuklären. Nur umgekehrt ist es noch schlimmer.«
Ausnahmsweise konnte Barnowski seinem Chef ohne jegliches Wenn und Aber zustimmen.
»War das Opfer berufstätig?«
»Dazu kann ich noch nichts sagen, aber wir können ihren geschiedenen Mann danach fragen, einen gewissen Dominik Garden. Immobilienmakler. Dem Jungen sollten wir vielleicht noch etwas Zeit gönnen, oder?«
»Wer betreut den Jungen denn jetzt?«, fragte Pielkötter, wobei er versuchte, eine neue Welle von Übelkeit zu ignorieren. »Auf keinen Fall darf er allein zu Hause bleiben, volljährig hin oder her.«
»Der wohnt wohl vorerst bei seinem Vater. Das Verhältnis der beiden soll recht gut sein.«
»Haben Sie diese Information von Herrn Garden selbst?«
»Nein, das hat mir die Lehrerin des Jungen erzählt. Jedenfalls eine Begleitperson von der Klassenfahrt. Die wird kaum die Unwahrheit sagen.«
»Stellen Sie fest, ob es bei der Scheidung Streit um das Sorgerecht gegeben hat.«
»Geht klar, obwohl ich nicht glaube, dass Herr Garden als Täter in Frage kommt. Für den Mord an Barbara Winkler hätte er doch kein Motiv.«
»Keine voreiligen Schlüsse«, stöhnte Pielkötter. »Wie oft muss ich Ihnen diesen Leitsatz noch auftischen?«
»Aber der Täter der beiden Morde scheint doch ein und dieselbe Person zu sein«, entgegnete Barnowski sichtlich genervt.
»Manchmal trügt der Schein eben. Die Medien haben die Einzelheiten des ersten Mordes doch bis ins Kleinste breitgetreten. Denen ist es doch egal, wenn sie uns dadurch die Ermittlungsarbeit erschweren.«
»Glauben Sie wirklich, jemand ahmt die brutale Art und Weise nach, nur um den Verdacht von sich abzulenken?«
»Was Sie oder ich glauben, zählt überhaupt nicht«, erwiderte Pielkötter. »Entscheidend sind nur die Fakten. Tatsächlich aber sind Menschen schon für eine Handvoll Münzen umgebracht worden.«
Barnowski verdrehte heimlich die Augen. Warum musste sein Chef gleich jede seiner kleinen Vermutungen am Rande so aufbauschen? Durfte er in Pielkötters Beisein nicht einmal laut denken? Was ihn aber weitaus mehr
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