Die Sünderinnen (German Edition)
ist der Aufzug eigentlich immer irgendwo oben. Gegen Mitternacht kehren die Leute eher zurück und steigen oben aus.«
»Einleuchtend«,sagte Pielkötter. »Die Aufzugtür ging also auf.«
»Ja, und da habe ich sie dort liegen sehen«, erklärte Gutenberg sichtlich erschüttert. »Das viele Blut, die Haare im Gesicht. Ich wusste sofort, dass sie tot ist. Vielleicht habe ich um Hilfe geschrien, aber das weiß ich nicht mehr. Jedenfalls bin ich wie von Sinnen die Treppe hochgehetzt. Der Mörder hätte ja da unten noch rumlungern können. Erst in meiner Wohnung bin ich wieder zu mir gekommen. Ich habe mich hier in den Sessel gesetzt und die Polizei angerufen.«
»Ich kann verstehen, wie schrecklich Ihnen zumute war«, brummte Pielkötter selten verständnisvoll. »Und das nach dem netten Skatabend.«
»Die Namen meiner Skatfreunde wollen Sie bestimmt auch wissen«, erwiderte Gurtenberg. »Thorsten Scholz und Stefan König. Ich kann Ihnen auch gleich die Telefonnummern geben.«
»Nun lassen Sie mal. Leider muss ich Sie sowieso noch zum Präsidium bitten. Dann er ledigen wir das alles auf einmal. Aber jetzt legen Sie sich erst einmal aufs Ohr. Notfalls nach einem kleinen Schlummertrunk.«
Während Pielkötter sich verabschiedete, lächelte Gutenberg müde. Mit unsicherem Gang brachte er den Kriminalkommissar zur Tür. Im Treppenhaus atmete Pielkötter dreimal tief durch. Gutenberg kam als Mörder nicht in Frage, darauf würde er Gift nehmen. Auch wenn die Tatzeit noch nicht genau feststand, konnte sich Pielkötter nicht vorstellen, dass er die muntere Skatrunde verlassen und anschließend die zufällig anwesende Marion Karsting ermordet hatte. Zudem deutete nichts auf eine Tat im Affekt hin. Pielkötter trug in Gedanken weitere Argumente gegen Gutenberg zusammen, nur um nicht zugeben zu müssen, dass der Mörder für ihn bereits so gut wie feststand. Immerhin hasste er voreingenommene Menschen, ganz besonders wenn sie im Polizeidienst standen.
Ein prüfender Blick auf seine Uhr zeigte ihm, dass es noch zu früh war, um Klaus Eberhard Karsting über den Tod seiner Frau zu informieren. Als sein Blick auf die versiegelte Tür fiel, entschied er, sich schon einmal in der Wohnung des Opfers umzusehen. Da er keine Lust hatte, die Stufen noch einmal runter- und wieder hochzulaufen, klingelte er einen der Polizisten an, die sich noch in der Tiefgarage befanden, und ließ sich den Schlüssel nach oben bringen.
»Harte Nacht, was«, sagte der Beamte, als er Pielkötter die Wohnung aufschloss.
Pielkötter brummte nur etwas Unverständliches. Er hatte nun keine Lust mehr auf Konversation. Auf ein Handzeichen hin verzog sich der Beamte wieder nach unten.
Diele und Wohnzimmer waren genauso geschnitten wie in Gutenbergs Appartement, nur wirkte hier alles ein wenig unordentlicher. In der Luft hing der Duft eines schweren Parfüms. Pielkötter sah zunächst in jedes Zimmer, dann nahm er sich den kleinen Sekretär vor, auf dem das Telefon stand. Mit Genugtuung entdeckte er gleich mehrmals den Namen Mark Milton. Der Psychologe stand sowohl im Telefonverzeichnis als auch in einem gut geführten Terminkalender. Seine Erinnerung hatte ihn also nicht getrogen. Nebenbei fand er noch die Nummer ihres Arbeitgebers, eine weibliche und eine männliche Person nur mit Vornamen, wahrscheinlich Verwandte oder enge Freunde. Marion Karsting hatte sogar die heutige Verabredung notiert, doch wirklich interessierte ihn das nicht. Wenig motiviert durchsuchte er noch die beiden Schubladen. In der linken entdeckte er ein Kästchen mit losen Fotos. Eilig ließ er die Bilder durch seine Finger gleiten. Seltsamerweise konnte er Staatsanwalt Karsting, ihren Ehemann, auf keinem der Fotos entdecken.
Mehr aus Gewohnheit als aus echtem Interesse lief er noch einmal ins Schlafzimmer und durchwühlte die Kommode. Er fand nichts außer Damenslips, Büstenhalter und Strümpfen. Aus dem schmalen Bett schloss er, dass der Trennungsgrund von ihrem Mann kaum ein heimlicher Liebhaber gewesen sein konnte. Der gute Staatsanwalt konnte sicher mehr dazu preisgeben. Ein kurzer Blick auf seine Uhr versicherte ihm, dass er Karsting nun durchaus aus dem Schlaf reißen konnte. Und vor allem auch Barnowski, selbst wenn dieser keinen Bereitschaftsdienst hatte. Im Wohnzimmer steckte er noch pflichtbewusst Telefonverzeichnis und Terminkalender ein, dann knipste er das Licht aus und verließ die Wohnung. Da die Spurensicherung gleich hier weitermachen würde, verzichtete er
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