Die Sumpfloch-Saga Bd. 2 - Dunkelherzen und Sternenstaub
die das wissen möchte. Ein offenes Fenster ist der einzige Hinweis, den es auf die Diebe gibt. Alle magischen und technischen Sicherheitsvorkehrungen wurden geschickt außer Kraft gesetzt und wieder in Kraft gesetzt, nachdem der Korken entwendet worden war. Sie hinterließen sogar ein perfektes Trugbild im Museum, sodass der Diebstahl erst Tage später offenbar wurde.“
„Aber Frau Schwund“, rief Ponto Pirsch, „das Wichtigste haben Sie noch gar nicht erzählt!“
„Erzähl du es, Ponto!“
Der Junge mit dem Schafskopf saß immer in der ersten Reihe. Jetzt drehte er sich nach seinen Klassenkameraden um und erklärte:
„Der Whiskykorken wurde zwölf Tage vor seiner zwölften Inkarnation gestohlen! Mittlerweile muss die zwölfte Inkarnation eingetreten sein. Das heißt, niemand weiß, wie der Korken jetzt aussieht!“
Das war allerdings eine aufregende Sache: Der heilige Riesenzahn, der unverletzbar machte, war also irgendwo in dieser Welt, aber niemand wusste, wie er aussah. Außer den Dieben.
„Das war’s dann wohl“, sagte Lisandra. „Den findet keiner mehr!“
„Oh, wer wird denn gleich die Flinte ins Korn werfen wollen?“, fragte Frau Schwund. „Natürlich wird man versuchen, die Spur des Korkens aufzunehmen: An seiner Wirkung wird man ihn erkennen, nicht an seinem Aussehen. Außerdem müssen mehrere Diebe an diesem Raub beteiligt gewesen sein. Die Beute wurde also entweder für eine hohe Summe verkauft, damit die Diebe das Geld unter sich aufteilen konnten, oder …“
Frau Schwund nahm ihre Brille ab und hielt sie ins Licht, um zu prüfen, ob sie sauber war.
„ … oder einer der Diebe hat sich den Zahn unter den Nagel gerissen und wird nun von seinen Kumpanen verfolgt. Die Versuchung muss groß gewesen sein. Vor allem unmittelbar vor der zwölften Inkarnation. Die Beute versteckt sich von selbst.“
Sie holte ein Tuch aus ihrer Rocktasche und polierte die Gläser.
„Denn wer kann schon ahnen, was aus dem Korken geworden ist? Bevor der heilige Riesenzahn ein Whiskykorken wurde, war er ein Türgriff und davor ein Melkeimer. Er inkarnierte sich schon als Hammer, als Hustenbonbon, Fingerhut, Kamm, Kerzenständer, goldener Löffel, krummer Nagel und Gießkanne. Es gibt ganze Wälzer von wissenschaftlichen Abhandlungen darüber, welcher Zusammenhang zwischen den Inkarnationen bestehen könnte und Mutmaßungen darüber, wie die zwölfte Inkarnation aussehen könnte. Doch die traurige Wahrheit ist: Wir wissen nicht, wie der Zahn jetzt aussieht. Vermutlich ist er kein Hustenbonbon und kein Korken, aber das hilft uns nicht maßgeblich weiter. Das innere Auge ist jetzt gefragt.“
Sie setzte ihre Brille wieder auf und lächelte die Klasse an.
„Ich bin zuversichtlich, dass der Zahn eines Tages wieder auftaucht. Verloren ist er jedenfalls nicht, denn der Besitzer wird ihn benutzen. Vielleicht ist das für den Zahn wesentlich schöner, als in Austrien in einer Vitrine ausgestellt zu sein. Man sagt magischen Gegenständen häufig einen Willen nach. Nun, vielleicht wollte der Zahn gestohlen werden. Seine Geschichte ist jetzt wieder wesentlich spannender geworden.“
Den ganzen Tag über trudelten Schüler in Sumpfloch ein. Beim Mittagessen war auch Frau Eckzahn wieder anwesend, Lehrerin des Fachs „Freundschaft und Eintracht“. Dabei hatte Lisandra so gehofft, dass Frau Eckzahn für immer im Schnee steckengeblieben wäre. Von allen Lehrern, die sie bisher kannte, mochte sie diese am wenigsten.
„Ach, die ist doch harmlos“, sagte Scarlett. „So eine wie die Glazard macht mir mehr Angst.“
„Sie hat alle Kinder geheilt, die letztes Jahr von der Rosenblatt-Schlange gebissen wurden“, sagte Maria. „Und sie hat nach Berry geschaut, als die krank war. Frau Glazard ist vielleicht streng, aber sie macht Leute gesund. Davor muss man doch keine Angst haben.“
Lisandra senkte die Stimme.
„Maria, hast du vergessen, wie uns die gute Estephaga Glazard letztes Jahr verhört hat? Scarlett und mich? Und wie sie uns hinterher einen Saft eingetrichtert hat, um die Erinnerung daran zu löschen? Meine Güte, wenn Geicko nicht an der Tür gelauscht hätte, dann wüssten wir jetzt nichts mehr davon!“
„Natürlich, Lissi, das weiß ich, aber sie hat es doch nicht böse gemeint. Sie hat sich nur für die Regierung umgehört.“
Jetzt verdrehte sogar Thuna die Augen.
„Muss sie deswegen gleich das Gedächtnis ihrer Schüler löschen? Außerdem können wir nicht auf die Regierung zählen,
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