Die Sumpfloch-Saga Bd. 2 - Dunkelherzen und Sternenstaub
beseelten Bäume hörte man es wieder in den Baumkronen singen, wenn der Wind die jungen Blätter aufschüttelte, und aus den verkohlten Resten des Phönixbaums sprossen junge, kräftige Triebe. Prächtige und unscheinbare Schmetterlinge flatterten umher und steckten ihre Rüssel in Monster-Stiefmütter, rosarote Herztassen, Kuhglockenblumen, Geschwätzige Primeln, Miefende Schuhtulpen und die sanft schimmernden Unvergessenen Verwegenen (die, wenn man den Dichtern glaubte, die stolzesten Blumen Amuyletts waren – selbst Rosen wirkten dagegen ordinär).
Es war auch der Tag, an dem Hanns beschloss, Scarlett zu verzeihen. Denn er war beleidigt gewesen, nachdem er Scarlett zur Rede gestellt und erfahren hatte, dass sie nicht nur mit ihm, sondern auch mit Gerald befreundet war.
„Was hattet ihr denn so Wichtiges zu bereden?“
„Es war ein Missverständnis.“
„Und was habt ihr für Missverständnisse miteinander?“
„Das Übliche unter Freunden.“
„Ihr seid befreundet?“
„Ja, natürlich.“
„Natürlich?“
„Warum nicht?“
„Du bist mit mir befreundet!“
„Soll das heißen, dass ich deswegen mit niemand anderem befreundet sein darf?“
„Tu nicht so, du weißt genau, was ich meine!“
„Nein, weiß ich nicht!“
„Wir sind mehr als Freunde!“
„Ach ja? Davon weiß ich nichts.“
„Scarlett!“
„Du und ich, wir sind Freunde, nichts weiter. So wie Lisandra, Thuna und Maria meine Freunde sind.“
„Und er?“
„Ihn mag ich auch sehr gern.“
„Mehr als gern?“
„Hanns, lass mich in Ruhe dem Quatsch! Was geht dich das überhaupt an?“
Sie hatte es sehr ungeduldig gesagt, vielleicht war auch der Tonfall etwas grob gewesen, jedenfalls machte Hanns auf diese Äußerung hin kehrt und ließ sie ohne ein weiteres Wort auf dem Gang stehen. Die nächsten Wochen sprach er nicht mit ihr, er schaute sie nur vorwurfsvoll an. Sie konnte sich zu keiner Entschuldigung durchringen, was auch daran lag, dass ihr die Nachmittagsstunden mit Hanns kaum fehlten. Es quälte sie nur ein bisschen, wenn sie an früher dachte, an ihre gemeinsame Zeit im Waisenhaus, und wie es gehen konnte im Leben. Dass so wenig von ihrer Verbundenheit geblieben war und Hanns ihr jetzt auch noch die Freundschaft gekündigt hatte.
Hatte er aber gar nicht. An dem Tag, als die Schule wieder anfing, saß er plötzlich neben ihr im Boot, auf dem Weg ins Klassenzimmer, und fragte:
„Wollen wir uns nachher treffen? Ich hab eine heiße Spur!“
„Was für eine Spur?“, fragte sie erstaunt.
Berry saß Scarlett gegenüber im Boot, in der rosa Strickjacke, die sie jeden Tag trug, und starrte sie groß an. Es war etwas Seltsames an Berrys Blick: Ihre großen, blauen Augen schauten in Scarletts Richtung und doch durch sie hindurch, als wären Berrys Gedanken ganz woanders. Gleichzeitig hatte ihr Gesichtsausdruck etwas Erstauntes, Erschrockenes. Jedenfalls lenkte Berrys Blick Scarlett sehr ab.
„Du weißt schon, der Ort, den ich gesucht hab!“
„Das Feenmaul?“
Hier zuckte Hanns regelrecht zusammen.
„Nein, ich erklär’s dir später. Wo treffen wir uns? Im Garten? Beim Phönixbaum?“
Scarlett dachte an den herrlichen Sonnenschein außerhalb der Festung. Bei dem Gedanken, mit Hanns im Dunkeln durch unterirdische Kanäle zu schippern, schüttelte es sie innerlich. Sie hatte keine Lust dazu. Doch wenn ihr Hanns schon ein Friedensangebot unterbreitete, so wollte sie es annehmen. Sie konnte sich ja mit ihm beim Phönixbaum treffen und sich dann weigern, ihn bei seiner Suche zu begleiten. Vielleicht könnte sie auch noch mal klarstellen, dass ihre diese Suchspiele keinen Spaß machten, aber sie gerne ab und zu …
„Nach dem Essen, ja?“, sagte Hanns und stieg aus, denn das Boot hielt am magikalischen Labor, wo er seine erste Schulstunde hatte.
„Gut“, sagte Scarlett und spürte eine leichte Verdüsterung in ihrem Inneren, die sie sich kaum erklären konnte.
Wie es der Zufall wollte, waren alle Schüler außer Berry und Scarlett mit Hanns ausgestiegen und so blieben Berry und Scarlett alleine im Boot zurück.
„Willst du oder soll ich?“, fragte Berry und zeigte auf die Ruder.
Scarlett kam die körperliche Betätigung zur Ablenkung gerade recht. Sie griff nach den Rudern, ohne etwas zu sagen, und lenkte das Boot auf die Mitte des Kanals zurück.
„Du Scarlett“, sagte Berry, „mach mal langsam.“
Scarlett schaute überrascht auf, leistete aber Berrys Bitte Folge, indem sie die Ruder sinken
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