Die Sumpfloch-Saga Bd. 3 - Nixengold und Finsterblau
noch einmal wiederzuerkennen. Seither vermisste der Halbvampir seine verlorene Liebe jeden Tag und jede Nacht, jede einzelne Stunde und in jedem einzelnen Augenblick.
Nicht lange nach Geraldines Tod war Gerald geboren worden. Sein Vater hatte ihm den Namen seiner verstorbenen Schwester gegeben. Ritter Gangwolf bestand auch darauf, dass Viego Vandalez sein Pate wurde. Vielleicht war es das Klügste, was Ritter Gangwolf jemals getan hatte. Denn als Viego Vandalez erkannte, dass sein Patensohn das gleiche Talent besaß wie seine verstorbene Liebe, schwor er sich, diesen zu beschützen. Niemals durfte ihm das Gleiche widerfahren wie Geraldine. Das war auch der Grund dafür gewesen, warum Gerald eines Tages mit Herrn Winter nach Sumpfloch gezogen war. Viego wollte über sein Wohl wachen.
Die Sterne funkelten in dem kleinen, kreisrunden Fenster, das Viego für Thuna in das dunkle Gewölbe gezaubert hatte. So viele Jahre hatte Viego hier unten wie in einem Grab zugebracht und gegrübelt und gehadert und sein Schicksal verflucht. Jetzt starrte er hinauf zu dem Fenster und den Sternen und merkte, dass sich etwas verändert hatte. Sein Schmerz, der ihn seit Geraldines Tod beherrscht hatte, war zwar nicht verschwunden, doch er fühlte sich anders an. Nicht mehr wie etwas, das Viego die Luft zum Atmen nahm, sondern wie eine Mahnung, ein Gebot, dem er sich zu beugen bereit war. Geraldine hätte es so gewollt. Sie hätte gewollt, dass Viego die Nacht, in die seine Schützlinge geraten waren, weniger dunkel machte. Dass er Fenster für sie zauberte mit Sternen, die ihnen Mut machten.
„Es gibt ein altes Sprichwort unter Vampiren“, sagte Viego. „Es heißt: Kurz bevor die Sonne aufgeht, ist die Nacht nicht mehr schwarz, sondern finsterblau . Für Vampire heißt das nichts anderes, als dass sie sich rechtzeitig aus dem Staub machen müssen, ob sie nun satt sind oder nicht, denn das Tageslicht ist ihr Feind. Aber für gewöhnliche Menschen – und ich bin zur Hälfte ein gewöhnlicher Mensch – bedeuten diese Worte etwas ganz anderes. Nämlich Hoffnung! Vergesst nie, dass auch unsere Nacht nicht schwarz ist. Sie ist finsterblau, denn wir haben uns. Solange wir einander vertrauen können, ist uns der nächste Morgen sicher.“
Kapitel 16: Torcks Tochter
Lisandra wollte Geicko nichts von ihrem katastrophalen Talent erzählen und verbot auch ihren Freundinnen, es zu tun. Am liebsten wollte sie gar nicht mehr über das Thema reden und so weiterleben, als hätte die Unterredung im Keller nie stattgefunden. Doch Lisandra konnte ihren Kummer tagsüber noch so fleißig aus ihren Gedanken verscheuchen, nachts kam er zurück und jagte sie in ihren Träumen. Immer wieder fuhr sie mit einem Schrei aus dem Schlaf hoch und traute sich kaum, wieder einzuschlafen. Sprach sie aber eine der Freundinnen darauf an, reagierte sie unwirsch und gereizt.
Mit Lisandra war gerade nicht leicht auszukommen. Und da Geicko nicht mal wusste, warum, sondern nur ihre schlechte Laune abbekam, zog er sich mehr und mehr zurück. So richtig gut hatten sie sich seit dem Pausenstreit im Boot sowieso nicht mehr verstanden. Nun verstrichen die Wochen bis zum nächsten Vollmond und die beiden ehemals Unzertrennlichen grüßten sich kaum noch. Als Scarlett einmal zu sagen wagte, dass das doch kein Zustand sei und Lisandra gefälligst mit ihrem besten Freund Frieden schließen solle, wurde Lisandra stinksauer.
„Tu nicht so, als wäre ich schuld daran, dass wir zerstritten sind!“, rief sie. „Warum soll denn immer ich die Böse sein? Zum Streiten gehören zwei! Wenn Geicko mich wirklich mögen würde und weiter mein Freund sein wollte, dann wäre er vielleicht mal gekommen und hätte sich um mich bemüht. Hat er aber nicht! Soll ich ihn etwa anflehen, dass er mich doch bitte, bitte wieder ertragen soll?“
„Wenn ihr beide so dickköpfig seid …“
Weiter kam Scarlett nicht, denn Lisandra rannte aus dem Zimmer und schlug die Tür zu. Dabei hatte es Scarlett gar nicht böse gemeint. Auch Scarletts Herz war schwer, wenn auch aus weniger dramatischen Gründen als bei Lisandra. Gerald war fort. Er hatte sich, da es nun mal nicht anders ging, mit seinem Vater in Quarzburg getroffen und war dann von diesem in seine Heimatwelt gebracht worden. Wie lange er dort bleiben musste, war noch nicht abzusehen. Dass es mehrere Monate werden würden, schien aber gewiss.
„Im Grunde bist du in deiner Welt sowieso besser aufgehoben als hier“, hatte Scarlett kurz vor
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