Die Sumpfloch-Saga Bd. 3 - Nixengold und Finsterblau
seiner Abreise in einem selbstlosen Moment festgestellt. „Dort kann dir nichts passieren.“
„Jetzt redest du schon wie mein Vater. Er meint, ich soll am besten ganz dort bleiben. Zum Glück sieht Viego das anders. Er sagt, ich werde hier gebraucht und jeder Tag, den ich in meiner Heimatwelt verbringe, ohne zu üben und zu lernen, ist ein verschwendeter Tag.“
„Und was sagst du?“
„Ich wünschte, ich könnte in beiden Welten gleichzeitig sein oder jeden Tag hin- und hergehen. Natürlich geht das nicht. Manchmal, wenn ich es schaffe, alles von außen zu betrachten, dann weiß ich, dass ich es gut habe. Ich werde in zwei Welten gebraucht. Manche Menschen glauben, dass sie nicht mal in einer Welt gebraucht werden. Das stelle ich mir wesentlich härter vor. Also sollte ich mich nicht beklagen, oder?“
„Lobenswerte Einstellung“, sagte Scarlett. „Es gibt auch Crudas, die böser sind als ich. Und Welten, die schon tot sind und nicht kurz davor zu sterben. Eigentlich haben wir es doch richtig gut!“
Scarlett dachte oft an dieses Gespräch, wenn sie am traurigen, schwarzen Phönixbaum vorbeiging, der nach seinem Feuertod noch ein paar Tage geraucht und im Regen gedampft hatte, bis er still und stumpf und schwarz geworden war. Nichts mehr an ihm erinnerte an den Sommer oder sein prächtiges Feuer. Aber er würde wieder grün werden. Man konnte es sich kaum vorstellen, doch im Frühling würde er wieder wachsen. Ganz bestimmt.
Seit dem letzten Vollmond war das Wetter täglich schlechter geworden. Es regnete, es stürmte und es wurde sehr kalt. Thuna ging wacker morgens und abends mit ihrem Löwen im Schulgarten spazieren und kein Wort der Klage kam über ihre Lippen. Schließlich ging die Zeit mit dem Löwen zu Ende und Thuna hatte sich fest vorgenommen, jeden Tag mit ihrem großen Liebling zu genießen, ob er sie nun am Schlafen hinderte, Eichhörnchen erlegte oder bei strömendem Regen mit ihr im Garten spielen wollte. Es war nämlich so, dass Estephaga nicht müde geworden war, die Angelegenheit ‚Fliegender Löwe’ zu regeln. Zwar hatte sie ihre Schwester nicht erreicht, war aber mit Zoos der ganzen nördlichen Halbkugel in Verbindung getreten, um einen Platz zu finden, an dem Pollux bleiben konnte.
Dass der Löwe wild leben könne wie seine Verwandten, sei aufgrund seiner Aufzucht ohne Löwenmutter und unter Menschen nicht mehr möglich, erklärten ihr die Experten. Auch könne man den Löwen nicht zum Reittier ausbilden. Im Gegensatz zu den extra für den Flugsport gezüchteten Löwen, die wesentlich kleiner seien als echte Fluglöwen, neigten die echten Fluglöwen dazu, ihre Reiter abzuwerfen. Das bereite ihnen große Freude und die Folgen, die ein solcher Abwurf für den Reiter habe, seien einem echten Fluglöwen nicht zu vermitteln.
Blieben für Pollux also nur noch ein Forschungsgehege oder ein öffentlicher Zoo als letzte Möglichkeiten. Estephaga entschied sich für einen Zoo in Kting. Zwei Wochen nach Vollmond sollte der Löwe abgeholt und ins ferne Kting transportiert werden, das so ziemlich genau auf der gegenüberliegenden Seite des Globus lag. Thuna würde nie das Geld und die Zeit haben, ihren Löwen zu besuchen. Sie konnte nur hoffen, dass er es in seinem neuen Zuhause gut haben würde. Außerdem musste sie froh sein, dass ihr Löwe überhaupt leben durfte.
Denn Viego Vandalez hatte nur sehr widerwillig zugestimmt, bis zum nächsten Vollmond zu warten und den schwarzen Löwen erst dann zu besiegen, wenn er den hellen Löwen verlassen hatte. Das Ganze war sehr riskant und schwierig, aber Thunas Tränen, ein Wutanfall von Scarlett und schließlich das inständige Betteln von Lisandra (die genau wusste, dass sie gerade einen riesigen Mitleidsbonus bekam) hatten Viego Vandalez erweicht. Er traf nun alle notwendigen Vorbereitungen, während Thuna den Vollmond herbeifürchtete.
Das Kapitel Lars beendete Thuna im Vorübergehen, im wahrsten Sinne des Wortes. An einem grauen, nebligen Tag, als es gerade nicht regnete, spazierte sie mit Pollux, Maria und Rackiné durch den Garten und traf auf Lars, der die Glasblättrigen Hecken stutzte.
„Hallo, Thuna!“, rief er locker und fröhlich. „Wie geht’s?“
„Lars!“, erwiderte Thuna weit weniger locker und fröhlich. „Stimmt es, dass du uns verraten hast? Hast du Grohann unsere Namen gegeben?“
„Du meinst …“ Er hielt inne, überlegte kurz und stieg dann seine Leiter zu ihr hinab. Er wirkte kleinlaut. „Diese Sache mit
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