Die Sumpfloch-Saga Bd. 3 - Nixengold und Finsterblau
machen kann. Denn dass Thuna die Feenbegabung besitzt und Maria einen Stoffhasen zum Leben erweckt hat, das hat sich schon herumgesprochen.“
Gerald klang heiser, als er zu sprechen anfing.
„Gibt es denn in den Lilienpapieren eine Anmerkung zu weiteren Erdenkindern?“, fragte er. „Einem sechsten oder siebten?“
Scarlett wusste genau, warum er das fragte. Er dachte an Lulu, seine Schwester. Wenn er sie jemals nach Amuylett holte, wäre sie das sechste Erdenkind.
„Die gibt es, Gerald, und es ist gut, dass wir sie kennen. Es wird nämlich dringend davor gewarnt, ein weiteres Erdenkind in diese Welt zu bringen. Alle Erdenkinder, die nach dem fünften Erdenkind kommen, sind nicht mehr in der Lage, ein Talent zu entwickeln und gehen an der Magikalie unserer Welt zugrunde. Es ist wie Gift für sie. Sie können kein Gleichgewicht mehr herstellen und sterben nach kurzer Zeit.“
„Da hab ich ja wohl noch Glück gehabt“, sagte Lisandra bitter, „dass ich die Fünfte bin und nicht die Sechste!“
Lisandras Worte klangen so verzweifelt, dass niemand es wagte, eine weitere Frage zu stellen oder sonst etwas zu sagen. Sie alle wussten, dass es Lisandra am schlimmsten erwischt hatte. Wie konnte man sie trösten? Gab es überhaupt eine Hoffnung für Lisandra? Am besten wäre es gewesen, wenn die Lilienpapiere die Unwahrheit sagten. Aber wie wahrscheinlich war das?
Viego Vandalez brach schließlich das Schweigen.
„Ich kann dir leider keinen Ratschlag geben“, sagte er. „Ich kann dir nur helfen zu lernen und mehr herauszufinden. Wir tappen noch im Dunkeln, aber wenn wir alle zusammenarbeiten, werden wir klüger und können uns einer sehr schwierigen Zukunft stellen. Auch deiner Zukunft, Lisandra. Vielleicht tröstet es dich, dass ich glaube, dass deine Anwesenheit in Amuylett von größter Bedeutung ist.
Es wurden schon viele Erdenkinder nach Amuylett geholt, doch sie alle waren nicht so begabt, wie ihr es alle seid! Ich vermute, dass es ohne den Tod gar nicht geht. Ohne das fünfte Erdenkind gelangen die anderen vier Talente nicht zur Vollendung. Sie bleiben stümperhaft, sind nur schattenhaft begabt. Gerald ist der beste Beweis dafür. Er kann sich seit ein paar Jahren unsichtbar machen. Doch erst seit du in Sumpfloch bist, Lisandra, macht er entscheidende Fortschritte. Die Unangreifbarkeit, von denen in den Lilienpapieren die Rede ist, macht sich allmählich bemerkbar. Wenn der Tod nicht bei uns wäre, dann wäre dieser Fortschritt niemals eingetreten. Da bin ich sicher!“
Das blaue Licht auf dem Labortisch flackerte und Lisandra versuchte, nicht laut zu schluchzen. Es war schön, dass sie wenigstens noch für etwas gut war. Aber der Tod zu sein, ein zweiter Torck, das war im Moment zu viel für sie.
„Du musst mir etwas verraten, Onkel Viego“, sagte Gerald. Es war das erste Mal, dass er den Halbvampir in Gegenwart der Mädchen als Onkel bezeichnete. „Welche Schlüsse ziehst du aus alldem für meine Tante? Für Geraldine? Weißt du jetzt, was mit ihr passiert ist?“
„Geraldine war nicht unsichtbar bis zur Unangreifbarkeit“, sagte Viego. „Leider. Sie wollten es wahrscheinlich trotzdem versuchen. Die Tür zur toten Welt, die einmal das erste Amuylett gewesen ist, die gibt es. Ich und Geraldine waren dabei, als Gangwolf sie geöffnet hat. Er tat es nicht absichtlich, er machte nur diese Tür auf und dahinter war nichts. Wir schlossen sie schnell wieder, trotzdem existierte sie weiter. Das Gebäude, in dem sie sich befand, wurde kurz darauf von der Regierung versiegelt.“
„Ist es eine kleine Tür unter einer Treppe?“, fragte Maria.
„Ja, genauso sieht sie aus.“
Maria nickte.
„Dann hab ich sie auch schon mal aufgemacht. In meiner Welt. Es war schrecklich dahinter! Niemand würde freiwillig da reingehen.“
„Geraldine wollte es bestimmt auch nicht. Jemand muss sie dazu gezwungen haben. Vielleicht wollten die Leute, die sie in ihrer Gewalt hatten, sehen, was passiert. Vielleicht hofften sie, Geraldine könnte die Wunde schließen, von der in den Lilienpapieren die Rede ist. Aber sie war nicht unangreifbar. Sie war schwach. Es hat sie umgebracht, so wie es jeden Menschen umgebracht hätte …“
Er konnte nicht weiterreden. Seine Stimme versagte. Die Erinnerung an jene Nacht, als Geraldine zu ihm und Gangwolf zurückgebracht worden war, schmerzte wie eh und je. Seelenlos war ihr Zustand gewesen, ihr Körper vom nahen Tod gezeichnet. Sie war gestorben, ohne Viego oder ihren Bruder
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