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Die Supermarkt-Lüge

Die Supermarkt-Lüge

Titel: Die Supermarkt-Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Zipprick
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musste es über fast elfenbeinweißes, geruchsarmes, festes Fleisch ohne Feuchtigkeit verfügen. Da aber hatten die Borstentiere noch richtig Speck auf den Rippen. Heute müssen sie mager wie ein Topmodel sein. »Fett wie ein Schwein« ist kaum ein Schwein.
    Schweinefleisch sollte beim Kauf trocken sein und kein Wasser von sich geben. Kein gutes Zeichen hingegen ist Fleisch, das schnell grau anläuft – doch das wird ja wie gesagt von der Thekenbeleuchtung korrigiert.
    Rindfleisch kommt von Ochsen oder Kühen, und in der Auslage lockt jedes Stück verführerisch rot. Doch die schöne Färbung kann täuschen. Auch hier gilt: Im Fett steckt Geschmack und wenn Ersteres fehlt, mangelt es häufig auch an Letzterem.
    Mager und zart hingegen ist ein gutes Kalbsschnitzel . Maximal zwei Zentimeter dick sollte es ausfallen, Metzger klopfen es noch zart und platt. Eingeschlagen in Papier sollte man es nicht länger als zwei Tage im Kühlschrank lagern, sonst kann der Geschmack verfliegen.
    Lammfleisch hingegen sollte blassrosa oder fast weiß aussehen, seine Fettschicht sollte schneeweiß und fest sein. Alarmzeichen sind eine stumpfe rote, fast violette oder gar schwarze Farbe. Solche »Lämmer« sind keine, sie sind Hammel und schmecken entsprechend streng.
    All diese Tipps gelten nur für die Fleischtheke und die existiert nicht überall. Für Fleisch aus der Massentierhaltung sind sie ohnehin nicht gültig. Das ist optisch oft einwandfrei, schmeckt jedoch dürftig und schrumpft in der Pfanne wie gesagt zusammen.
    Wer glaubt, dass konventionelle Tierhaltung so schlimm nicht sein könne, der sollte vielleicht einmal die »Verordnung zum Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere und anderer zur Erzeugung tierischer Produkte gehaltener Tiere bei ihrer Haltung« lesen. Diese Verordnung von 2006 garantiert Zuchttieren wesentlich mehr Platz im Stall als vorher:
    Ein Kalb von 150 Kilogramm Lebendgewicht hat jetzt Anspruch auf 1,5 m 2 Bodenfläche. Einem Mastschwein von 50 bis 110 Kilo stehen 0,75 m 2 zu. Hühner werden gleich als Gesamtgewicht gelistet: »Wer Masthühner hält, hat sicherzustellen, dass die Masthühnerbesatzdichte zu keinem Zeitpunkt 39 kg/m 2 überschreitet.«
    Diese Vorschriften stellen bereits eine erhebliche Verbesserung der Haltungsbedingungen dar. Aber: 0,75 m 2 für ein 110 Kilo-Tier? Rechnen Sie das Platz­angebot ruhig mal auf Ihr eigenes Gewicht um. Immerhin heißt es über Schweine und Kälber, dass sie »ungehindert liegen, auf­stehen, sich hinlegen, eine natürliche Körperhaltung einnehmen« dürfen. Massentierhaltung produziert kranke Tiere. Zum Beispiel erkranken Schweine oft an Chlamy­dien und Lungenentzündungen, was zu einer häufigeren Verabreichung von Antibiotika führt. Laut dem Spiegel wurden im Jahr 2010 rund 900 Tonnen Antibiotika an Zuchttiere in Deutschland verfüttert. »Das sind 116 Tonnen mehr als im Jahr 2005 und mehr als dreimal so viel, wie alle Bundesbürger pro Jahr einnehmen«, heißt es in dem entsprechenden Artikel. Die Folge: Immer mehr Krankheitserreger sind gegen Antibiotika immun.
    Außerdem werden die Tiere aufgrund enger Ställe und langer Transporte Dauerstress ausgesetzt.
    Das alles ist zwar unschön, aber unvermeidbar, wenn das Schnitzel schön billig bleiben soll? Es gibt noch ein weiteres Argument gegen Massentierhaltung: Derart gewonnenes Fleisch schmeckt einfach nicht. Sicher taugt es als Sattmacher, aber nach Kalb, Schwein oder Rind im ursprünglichen Sinne schmeckt es nicht mehr.
    Oft wird Fleisch stückweise unter » Schutzatmosphäre « verpackt. Fachleute reden auch von MAP-Ver­packung ( Modified Atmosphere Packaging ) und hoffen insgeheim, dass sich einmal der Begriff »Aromaschutzverpackung« beim Verbraucher einprägen wird. Aromaschutz, das klingt gut. Jedenfalls besser als »optisches Aufhübschen«.
    Solche Schutzatmosphären bestehen aus Stickstoff, Kohlendioxid und Sauerstoff, ihre Hersteller nehmen in der Eigenwerbung kein Blatt vor den Mund. Das Düsseldorfer Unternehmen Air liquide empfiehlt für portioniertes Frischfleisch die Gasmischungen Aligal 27, Aligal 28 und Aligal 49. »ALIGAL begünstigt die Bildung von Oxymyoglobin und erhält dadurch die natürliche Fleischfarbe und somit ein appetitliches Aussehen.« Gepriesen wird hier also nicht der Aromaschutz, sondern die ansprechende

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