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Die Tänzerin auf den Straßen

Die Tänzerin auf den Straßen

Titel: Die Tänzerin auf den Straßen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miriam Gudrun Sieber
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zittere, Leon... Die Erkenntnis ist wie ein Blitzschlag. Es ist leichter zu lieben, als sich lieben zu lassen. Dazu gehört Demut.
    Als wir aufeinandertrafen, sagtest du, dass du keine Zeit hast, da der Tod bereits an der Tür wartet. Es gab kein Gehabe und keine Spielchen, du warst direkt... Ist es das gewesen? Ich ließ mich ein, auch direkt, obwohl unterm Gefieder dieser Liebe das Schwert des Schmerzes wartete. Ich wusste, dass wir niemals miteinander leben können.
    Sich lieben lassen... Durch wie viele Schichten muss dieser Satz dringen, um mein Herz zu erreichen!?
    Heute fühle ich, wie ich tiefer in mein Leben gehe, in verborgene Winkel hinein...
    Oh, ich sehe, wie schön die Welt ist! Ich sehe, wie schön die Welt ist!
     

W ecke die Liebe nicht,
ehe sie selber sich regt.
 
Erklungen an blauen Himmelstoren,
lange bevor du geboren,
schreiben die Engel ihre Noten.
Sie fällt dir ins Herz,
wenn die Zeit ihre Lettern löscht,
wie Lampen verlöschen ohne Öl.
 
Du ahnst es nicht,
hast längst das Warten aufgegeben,
scheinst ein vergessenes Samenkorn...
Da eines Nachts im Dunkeln
vernehmen
Ohren, Augen, Haare, Lippen
und dein ganzer Leib
ihr erstes feines Beben.
 
Fühle,
wie deine Glieder sich erheben,
deine Füße tanzen im Kreis.
Gib dich ihr hin wie einem warmen Frühlingsregen
und wisse, jetzt ist es Zeit:
Die Liebe fällt
wie ein Stern aus tausend Nächten
in dein offenes Leben.
 
Wecke die Liebe nicht,
ehe sie selber sich regt.
     

Die drei Frauen und ich zogen in eine kleine Pension. Die Wohnung war kitschig — mit rosa Kissen, alten Möbeln und vielen Vasen mit Kunstblumen. Señor Lopez war klein und dick, seine Frau ebenso. Ihre Unterwürfigkeit hatte etwas Unangenehmes, das uns aber nicht störte, da wir froh waren, unsere Klamotten trocknen zu können und eine Küche vorzufinden, in der wir herrlich kochen konnten — was wir auch taten. Doch das Erste war, in einem Ritual am Kap unter dem Leuchtturm bei fast vollem Mond unsere Pilgerklamotten zu verbrennen und die Asche dem Meer als Dank zu übergeben. Es war wunderbar. Wir lachten und weinten, küssten uns und tranken roten Wein, versprachen, immer aneinander zu denken und füreinander zu beten.
    Später kam Jan zum Feuer der mit nur einem Bein. Er hatte es also auch geschafft. Er sah froh und frei aus, stark und schön.
    Trotz der Freude hatten wir alle Angst vor der Rückkehr, da dies der zweite Teil der Reise sein würde: das Erlebte in den Alltag umzusetzen.
     

D er Leuchtturm malt
mit langen Fingern
gelbe Bögen auf das Meer.
Über uns das Sternenflimmern...
Der Südwind trägt
von irgendwoher
das lange Ahnen der weiten Welle.
Myrtheduftend
lichtblauer Saum der Nacht,
vom Zauber des Mondes erdacht.
All das lacht in mir
und weint,
erhebt mich
und macht mich klein...
 
Ich kehre jetzt zurück,
so wie ich bin.
Schritt um Schritt um Schritt,
tiefer, noch tiefer
in mein altes Leben hinein.
     

Im über dreitägigem Zusammensein mit den Frauen wurden ihre inneren Krisen und die Gründe für ihr Unterwegssein zu Themen der Gespräche. Wie konnte es anders sein: Es war vor allem die Liebe und die chronische Unzufriedenheit damit. Sexuelle Probleme, Frustration bei Männern und Frauen. Nur dass die Frauen jetzt aufstehen und Weggehen und anfangen, darüber zu reden.
    Wir redeten Nächte und Tage. Die Welt braucht einen neuen Umgang mit der Liebe, wie er dann auch aussehen mag. Jeder Mensch muss sich auf den Weg machen, wozu es erst einmal das ehrliche Bekennen der Krise auf diesem Gebiet braucht. Alle drei Frauen hatten keine Gebärmutter mehr, obwohl zwei von ihnen erst vierzig Jahre alt waren. Sie war entfernt worden nach Trennungen von Lebenspartnern, als die Frauen endlos zu bluten anfingen.

    Ich fragte die Frauen, ob sie sich lieben lassen können. Alle verneinten — es finge schon bei der Ablehnung ihres Körpers an. Wieder so eine schlimme Sache: Wir Frauen lehnen unsere Körper ab, obwohl diese doch neues Leben tragen und gebären können... Noch so ein unglückseliges Kapitel, das wir da aufschlugen...
    Neue Liebe braucht das Land! Mit diesem Satz verabschiedeten wir uns voneinander, wohlwissend, was dieser Satz bedeutet und dass eine jede von uns damit einen eigenen Weg nicht ohne Schmerzen — gehen muss.
    Die Frauen reisten ab, ich blieb noch einen Tag am Meer. Allein. Ich setzte mich ans Kap und ließ den Tag geschehen, döste vor mich hin, genau am Ende der Welt.
    Ich sah noch viele Pilger ankommen, denen ich unterwegs begegnet

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