Die Tänzerin von Darkover - 9
schien genauso müde zu sein wie ich. »Vielleicht ist unser Vater jetzt endlich bereit, die Vergangenheit ruhen zu lassen, nachdem er heute bekommen hat, worauf er all die Jahre gewartet hat.«
Ich erzählte Dani nicht, wie die Mobilisierung der Reserve sich wirklich zugetragen hatte: Ich hatte einen meiner Erkundungsvögel im Sturzflug zu Rafe geschickt und ihn so lange um dessen Pferd aufgeregt herumflattern lassen, bis Rafe einfach merken mußte, daß dies das Signal zum Angriff war.
Ich rechnete auch fest damit, daß Rafe bis zum nächsten Morgen eine Gelegenheit finden würde, Lord MacAran den wahren Sachverhalt zu enthüllen.
Das aber unterließ er. Er sonnte sich in seinem frisch erworbenen Heldenruhm und widersprach nie, wenn Dom Valentine zum wiederholten Male beschrieb, wie die Götter zu Rafe gesprochen hätten, um den Sieg für die Bergstämme zu sichern. Der Vogel, den ich ihm gesandt hatte, wurde überhaupt nicht erwähnt.
Ohne das rechtzeitige Eingreifen der Reserve unter seinem Kommando wäre die Schlacht sicherlich anders ausgegangen, und die Bergstämme hätten eine vernichtende Niederlage erlitten. So gesehen konnte man Lord MacAran noch folgen, und fast jeder hätte die Ereignisse des Tages als die große Bewährungsprobe gedeutet, für die Rafe vorherbestimmt war. Mein Vater aber gab sich damit nicht zufrieden; für ihn war der Tag lediglich ein Vorbote künftiger, noch größerer Dinge.
Zwei Tage nach der Schlacht auf der Ebene von Zabal ritten wir in Neskaya ein, um mit Lord Lanart und seinen Verbündeten die Friedensverträge zu unterzeichnen. Und wir bestatteten Doni an jenem Ort, der seit jeher die letzte Ruhestätte für Comyn-Angehörige war.
Rafe wurde auch weiterhin als der Held unseres Sieges gefeiert.
Bei den Vertragsverhandlungen hätte eigentlich Dani an der Seite seines Vaters sitzen sollen, so wie Dom Roualts ältester Sohn an dessen Seite saß; aber Dom Valentine hatte entschieden, daß der Ehrenplatz zu seiner Linken seinem Pflegesohn gebühre. Ich war mir sicher, daß Lord Delleray das nicht unwidersprochen hinnehmen würde, da dadurch der Sohn seiner eigenen Schwester zurückgesetzt wurde. Aber ob es zwischen den beiden Lords darüber je zu einer Aussprache kam, wurde mir nie bekannt.
Was ich hingegen hörte, waren Gerüchte, daß Lord MacAran Boten zu Lord Hastur, dem mächtigsten Comyn im Tiefland, nach El Haleine gesandt hatte, um dort über eine mögliche Heirat mit einer von Hasturs Töchtern zu verhandeln – und dabei ging es nicht um seinen Erben Dani, sondern um den Pflegesohn Rafe. Das gesamte Vorhaben war ungeheuerlich, da Rafe kein Laran besaß, während Hasturs Töchter alle telepathisch begabt waren. Dennoch wollten die Gerüchte nicht verstummen.
Außerdem wurde mir von verschiedenen Comyn-Angehörigen hinterbracht, – und das geschah sicherlich gezielt, da ich sein einziger Verwandter war – daß Rafe mehr anstrebe, als ihm auf Grund von Geburt und Verdienst zustehe. Ich neigte ebenfalls zu dieser Ansicht, wußte aber auch, daß nicht Rafes Ehrgeiz, sondern der Starrsinn meines Vaters es dazu hatte kommen lassen.
Was blieb Rafe denn anderes übrig? Als Pflegesohn und Offizier hatte er geschworen, Lord MacAran zu ehren und zu gehorchen, und in den Hellers nimmt man solch einen Eid sehr ernst.
Ich muß aber zugeben, daß Rafe durchaus versuchte, die Pläne meines Vaters zu durchkreuzen, und ich bewunderte damals sein Geschick dabei. An dem Tag, als die Boten aus El Haleine zurückerwartet wurden, stellte er bei einer Audienz Dom Valentine die Tochter eines Kneipenwirts aus der Stadt vor und bat um Erlaubnis, die junge Frau zu heiraten, da sie von ihm schwanger sei.
Die Geschichte war nicht ganz unglaubwürdig, da wir uns schon über einen Monat in Neskaya aufgehalten hatte. Rafe rechnete sich aus, daß man von einem verheirateten Mann schlecht erwarten konnte, eine zweite Ehe einzugehen, ganz gleich, wie hochangestellt die zweite Braut auch sein möge.
Rafes Plan wäre vielleicht aufgegangen, wenn der Vater der Auserwählten nicht so habgierig gewesen wäre. Dieser war zu Lord MacAran gelaufen, um über den Brautpreis zu feilschen. Daraufhin versprach man ihm ein nettes Sümmchen, wenn er mehrere Zeugen herbeischaffte, die beschworen, daß bereits beim letzten Mittwinterfest die Heirat seiner Tochter mit einem anderen per Handschlag besiegelt worden war. Um das Gerede zu beenden, ließ Dom Valentine verbreiten, Rafe sei in aller Unschuld von einem
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