Die Tätowierung
aber die Fassade des Gebäudes war alles andere als imponierend. Von der schlichten Haustür war überall die Farbe abgeblättert. Die Klingel funktionierte nicht, und Irene m usste klopfen.
Der Mann, der ihr die Tür öffnete, überraschte sie. Ihr erster Gedanke war, er müsse ein F oto m odell sein. Er war e t w as g r öß er a l s d er D urchschnitt, schlank und durchtrainiert. Seine A ugen waren bernsteinfarben und hatten denselben Farbton wie sein kurz geschnittenes Haar. Vor n e war das Haar län g er und stand ver m utlich m ithilfe von Haarwachs hoch. Das sah nonchalant und sportlich aus und hatte ihn sicher eine halbe Stunde gekostet. Bei näherem Hinschauen b e m erkte sie jedoch, dass er älter war. Eher über dreißig als unter.
Er lächelte char m ant und sagte: »Hallo. W o m it kann ich diene n ?«
»Hallo. Irene Huss. Kri m inalpolizei.«
Sie hatte ihren Ausweis berei t s in Bereitschaft gehalten und zog ihn jetzt aus der Tasche.
Der Mann hob etwas die Brauen, bewegte sich aber nicht aus der Tür.
» W as Sie nicht sagen«, entgegnete er.
»Ich suche F otograf Erik Bolin«, sagte Irene.
»Zu Ihren Diensten«, erwiderte der Mann in der Tür.
Er deutete eine Verbeugung an und m achte einen Schritt zurück in die Diele, da m it s i e an ihm vorbeikam. Irene trat ein.
Wenn das Haus auch nicht wei t er beeindruckend war, so war es die Einrichtung des At e l ie r s. Die Rä u m lichkeiten waren gerade erst renoviert worden.
Die W ände in der Diele waren in einem hellen Perlgrau gestrichen, das Parkett h a tte den war m en Rotton von Kirschbaumholz. Vor ihnen lag ein großer heller Rau m , das eigentliche Atelier. Dort waren die W ände weiß, der Fußboden war jedoch derselbe wie in der Diele. Rechts ging es in eine zie m lich große und hohe Küche. Schwarzer Lack und Stahl und Kirschbau m holz auf d e m Fußboden.
» W ann hat Marcus Tosscander diese Einrichtung entworfe n ? « , fragte Ire n e.
Jetzt zog Bolin die Brauen ganz hoch.
» W usste n S i e das , ode r habe n Si e d a s g e s e h e n ? « , fr a g t e e r .
»Das habe ich gesehen.«
»Bravo. Er hat oder hatte einen sehr eigenen Stil. Wahnsinnig schön. Es gefällt m i r se h r gut.«
» W ann hat er das hier entworfen ? «
»Vor etwas über einem Jahr. Die eigentliche Renovierung wurde dann letzten Som m er durchgeführt. W ollen Sie einen Kaffee?«
»Ja, gern.«
Sie traten in die superästheti s che Küche. Ire n e setzte s i ch auf einen Küchenstuhl, der sicher kein gewöhnlicher Küchenstuhl war. Das geschweißte Stahlro h r und der Sitz aus geflochtene m , kräftigem Hanf wirkten auf sie wie eine Spezialanfertigung. Erik Bolin stellte eine Espresso m aschine an und war eine Ewigkeit da m it beschäftigt, d e r zischenden und ächzenden Apparatur eine winzige Tasse Kaffee abzuringen. Irene waren große Mengen schwedischer Kaffee lieber, aber da es nic h ts a n deres ga b , musste sie m it Espresso vorlieb neh m en. Koffein war schließlich Koffein.
Offenbar produzierte die Maschine zwei Tassen gleic h zeitig, denn Bolin stellte zwei Minitassen auf die Schieferplatte des Küchenti s c h s. Dazwischen stellte er einen Teller Reiswaffe l n. Hielt der Typ etwa Diät? Das hatte er doch wohl nicht nötig. Vielleicht war er auch nur deswegen so schlank?
Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen, als Bolin fragte: »Geht es um Marcus ? «
»Gewissermaßen. Kannten Sie ihn gut ? « Bolin läc h elte traurig.
»Ja. W i r w a ren sehr gut befreundet.«
» W ie lange kannten Sie ihn ? « Bolin dachte nach.
»Vier Jahre.«
» W aren sie zusam m en?«
»Zusam m e n … nu n ja , i n gewis s e r Weis e scho n a b un d zu … abe r di e letz t e n zwe i Jah r e ware n wi r nu r n o c h Freu n de.«
»Haben Sie Bilder von Marcus aufgenommen ? « Die Bernsteinaugen funkelten.
»Un m engen! Er liebte es, vor der Ka m era zu stehen, und die Ka m era liebte ihn. E s gibt solche Menschen.«
Irene zog den U m schlag m it den P olaroidfotos aus der Tasche.
»Haben Sie diese Bilder ge m acht?«
Er nahm die Bilder und warf einen flüchtigen Blick darauf. »Natürlich.«
Da hätte Irene beinahe »Bingo« gerufen, aber sie konnte sich gerade noch bremsen. Sie bat Erik Bolin, sie einen Augenblick zu entschuldigen, dann rief s i e ih r e Kolleg e n auf ihrem Handy an, sie hätte den Fotografen gefunden.
» W issen Sie, wer der andere Mann ist ? «, fragte sie, nachdem sie diese Gespräche erledi g t hatte.
»Ich weiß nur, dass Marcus
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