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Die Täuschung

Die Täuschung

Titel: Die Täuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caleb Carr
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DNA passen, aber wenn jemand die Sachen durch die universale Datenbank schickt, sitzen Sie in der Tinte. Und Sie sollten auch ein paar Schusswaffen haben.«
    »Danke, Colonel«, sagte ich leise und schüttelte ihm die Hand.
    Er sah mich an, und seine Augen wurden schmal; das rechte zog an der langen Narbe, die ich gar nicht mehr bemerkte, wenn ich ihn ansah. »Seien Sie nicht allzu erschrocken über Malcolm. Er ist erschöpft. Wir werden uns um ihn kümmern und dafür sorgen, dass er sich erholt – und wenn es so weit ist, werden Sie vielleicht zurückkommen wollen, Gideon. Ich weiß, einiges an diesem Kampf gefällt Ihnen nicht, aber nachdem Sie nun daran teilgenommen haben, wird es Ihnen dennoch schwer fallen, sich wieder in die Welt einzufinden, die Sie früher gekannt haben.«
    »Das stimmt sicherlich, Colonel«, sagte ich. »Aber ihr solltet niemanden in eurem Team haben, auf den ihr euch nicht hundertprozentig verlassen könnt. Und später – nun ja … zu viele Fragen, das ist alles.«
    Slayton berührte kurz seine Narbe und fasste mich dann an der Schulter. »Vermutlich haben Sie Recht. Aber ich bedaure es, dass Sie uns verlassen, Dr. Wolfe.« Er ging langsam zur Tür. »Was mich betrifft, so habe ich schon früher gesehen, wie Wahnsinnige ganze Städte in Schutt und Asche gelegt haben. Nicht in diesem Ausmaß vielleicht, aber immerhin weiß ich dadurch im tiefsten Innern, wer die Schuld trägt. Also glauben Sie mir, Gideon – damit brauchen Sie sich auf der Flucht wahrhaftig nicht zu belasten.«
    Als Slaytons soldatische Schritte auf dem steinernen Gehweg draußen zu hören waren, kamen Eli und Jonah zu mir herüber. Eli bedachte mich mit demselben großherzigen Lächeln wie damals im Gefängnis von Belle Isle, als ich ihm zum ersten Mal gegenübergestanden hatte. »Ich schulde Ihnen einen Gefängnisausbruch«, sagte er. »Also, wenn Sie geschnappt werden und Ihren Telefonanruf machen dürfen …«
    Ich schmunzelte und schüttelte ihm die Hand, dann schaute ich von ihm zu Jonah. »Nichts von dem, was ich gesagt habe, stört euch beide?«
    »Das mit Malcolm?«, antwortete Jonah. Als ich nickte, fuhr er fort: »Der Colonel hat Recht, Gideon. Malcolms geistige Verfassung ist außerordentlich stark mit seiner körperlichen Verfassung verflochten – ich glaube, Sie wissen ebenso gut wie wir, wieso und warum. Aber wir kennen ihn, seit wir Teenager waren. Irgendwann kommt er schon wieder zur Vernunft, wenn er nur genug Zeit und Ruhe hat.«
    »Aber – diese Sache mit den Zeitreisen …«
    »Müdigkeit und Stress, Gideon, glauben Sie uns«, antwortete Eli. Dann legte er den Kopf schief. »Andererseits …«
    »Andererseits«, beendete Jonah den Satz für ihn, »will ich unbedingt in seiner Nähe sein, nur für den Fall des Falles. Ist doch allemal besser als die Zankerei um eine feste Stelle in Yale oder Harvard.« Da es nichts mehr zu sagen gab, nahmen beide Männer fast im selben Moment und mit der gleichen Geste verlegener Rührung die Brille ab. »Tja, dann – leben Sie wohl, Gideon«, sagte Jonah.
    »Und denken Sie daran, was Colonel Slayton gesagt hat«, setzte Eli hinzu, während sie sich zum Gehen wandten. »Kann sein, dass Ihnen das Leben dort draußen jetzt äußerst befremdlich vorkommt – ein Wort von Ihnen, und wir holen Sie zurück.«
    Als sie zur Tür hinausgingen, winkten sie alle beide, und man sah ihnen ihre Verlegenheit nach wie vor deutlich an. Ich drehte mich zu Julien um und spürte plötzlich einen dicken Kloß im Hals. Fouché stand taktvoll auf, hob eine Hand und machte eine Kopfbewegung zu Larissa. »Ich lasse schon mal den Turbinenhubschrauber warm laufen, Gideon«, sagte er. »Es ist bald dunkel – ein Nachtflug erregt immer weniger Aufmerksamkeit.«
    Sobald er fort war, drehte ich mich zu Larissa um, die die Arme um den Körper geschlungen hielt und auf die felsige Bucht hinausschaute. Bereit, ihr mit leisen, unwiderstehlichen Worten unsere gemeinsame Zukunft auszumalen und sie auf diese Weise mitzureißen, trat ich lächelnd auf sie zu …
    Und im gleichen Moment befiel mich mit Schwindel erregender Plötzlichkeit dasselbe Gefühl wie zu Beginn meiner letzten Begegnung mit Malcolm: ein jäher Verlust meiner Illusionen, bei dem es mich kalt überlief; es war, als würde ich ausbluten, als hätte man mir mit dem Rasiermesser eine Hauptarterie durchtrennt. Larissas traurige Miene sagte mir auf die klarste und brutalste Weise, dass ich verlieren würde, wenn ich sie vor die Wahl

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