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Die Täuschung

Die Täuschung

Titel: Die Täuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caleb Carr
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noch bessere und bequemere Methoden zur Befriedigung der belanglosen Begierden der Allgemeinheit entwickeln. Eine Welt, in der Intelligenz an der Fähigkeit gemessen wird, zusammenhanglose Informationen anzuhäufen, deren einziger Zweck in ihrer eigenen Verbreitung besteht, die von der Menschheit aber trotzdem sklavisch gehätschelt werden. Kennen Sie die harte Wahrheit, warum es den Informationen gelungen ist, die Herrschaft über unsere Spezies zu erlangen, Gideon? Weil das menschliche Gehirn sie anbetet – es spielt mit den Informationshäppchen, die es erhält, arrangiert sie und speichert sie wie ein begeistertes Kind. Aber es ist dem Gehirn ein Gräuel, sie eingehend zu untersuchen, es verabscheut die harte Arbeit, sie zu integrierten Verständnissystemen zusammenzusetzen. Doch genau diese Arbeit ist es, die Wissen schafft, Gideon. Alles andere ist einfach nur – Zerstreuung. «
    »Und was hat das damit zu tun, dass Sie über Ihre persönlichen Motive Bescheid wissen?«, fragte ich, ohne zu verbergen, wie sehr mich seine Tirade mit Überdruss erfüllte.
    Er schüttelte erneut den Kopf und erwiderte: »Gideon – das sind mittlerweile meine persönlichen Motive. Mir ist klar, dass Sie der Meinung sind, ich bräuchte ärztliche Behandlung, aber diesen Weg bin ich schon gegangen – und soll ich Ihnen etwas sagen? Er hat geradewegs zurück an den Punkt geführt, wo alles angefangen hat. Zugegeben, wenn man diese Reise einmal hinter sich gebracht hat, weiß man genau, wo dieser Punkt ist und was drumherum liegt. Aber man ist trotzdem dort. Also, was sollen Menschen Ihrer Meinung nach tun, Gideon, wenn sie ihre persönlichen Motive entdecken? Abtreten? Aufhören, eine Rolle in der Welt zu spielen? Gibt es überhaupt jemanden in der Menschheitsgeschichte, der nicht von seinen persönlichen Motiven angetrieben wurde? Und wie hätte es ohne diesen Antrieb irgendwelche Entwicklungen geben können?«
    »Darum geht es nicht«, entgegnete ich. »Wenn man sich selbst wirklich kennt, kann man sein Verhalten ändern.«
    »Ah, das Mantra des Psychologen!« Malcolms Stimme hob sich beunruhigend. »Ja, Gideon, das kann man in der Tat, aber mit welchem Ziel? Sollen wir christlich sein und der Habgier, der Ausbeutung und der Zerstörung die andere Wange hinhalten? Sollen wir zusehen, wie die Welt in Flammen aufgeht, weil wir befürchten, unsere Motive könnten nicht ganz und gar unpersönlich sein? Ich sage Ihnen, eher würde ich mich in dieses Meer stürzen! Denn Sie reden nicht von Veränderung, Gideon – Sie reden von Lähmung!«
    »Nein«, sagte ich, »ich rede davon, dass man diese Probleme mit Methoden anpacken muss, die nicht dazu führen, dass man Millionen Menschen umbringt.«
    »Ich habe diese Stadt nicht zerstört!« , rief er, und ich sah an der Art, wie er zu zittern begonnen hatte, dass ihm ein neuer Anfall bevorstand; doch so sehr ich mich schäme, es zuzugeben, ich war zu entsetzt über das, was er sagte, um etwas dagegen zu unternehmen. »Ich habe Dov Eshkol nicht ausgebildet«, fuhr er fort, »und ich habe ihn nicht auf die Menschheit losgelassen. Ich habe auch diese Gesellschaft nicht geschaffen, die derart vom Geschäftemachen besessen ist, dass sie sich weigert, auch nur die gefährlichsten Formen des Handels effizient zu regulieren! Ich habe allerdings eine Reihe von Experimenten durchlitten, die mir eine einzigartige Perspektive vermittelt haben, aus der heraus ich eben diese Gesellschaft betrachten – und vielleicht beeinflussen – kann. Soll ich es ablehnen, das zu tun, weil meine Motive eine persönliche Dimension haben, die Leuten wie Ihnen Sorgen bereitet? Hören Sie auf meinen Rat, Gideon – sorgen Sie sich um die Reinheit Ihrer eigenen Motive und kümmern Sie sich nicht um meine.« Er drehte seinen Stuhl zum Fenster und hob eine Faust. »Ich weiß, warum ich so bin, wie ich bin – aber ich werde denjenigen, die mich so gemacht haben, nicht den letzten Triumph gönnen, indem ich es stillschweigend hinnehme, dass sie die Welt in einen riesigen Bienenstock verwandeln, in dem Menschen für den Profit geheimer Herren endlos mit Informationen spielen – und nichts dabei lernen.«
    Mir schien, dass mit diesem schicksalsschwangeren Nichts weitaus mehr beendet war als das Gespräch. Ich schwieg, denn es hatte keinen Sinn, mit jemandem zu diskutieren, der an einer derart schweren Psychose litt. Einiges von dem, was Malcolm gesagt hatte, war zweifellos wahr, obwohl ich nicht bestimmen konnte, wie viel.

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