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Die Täuschung

Die Täuschung

Titel: Die Täuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caleb Carr
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gezeichnet; von dem Moment an, als ich zu sprechen begonnen hatte, schien sie gewusst zu haben, dass sie in Kürze selbst mit einer Krise konfrontiert sein würde.
    »Falls Ihre Feststellung stimmt, Gideon«, warf Julien ein, »dann wissen Sie mehr als viele helle Köpfe, die sich über Generationen hinweg mit diesem Thema befasst haben.«
    »Hört mal zu, ich habe Einstein und Hawking gelesen«, entgegnete ich. Dann fügte ich ein wenig verlegen hinzu: »Na ja, Einstein jedenfalls. Aber ich habe über Hawking gelesen. Und beide haben gesagt, dass die Zeitreise wegen der damit verbundenen Paradoxa physikalisch unmöglich sei.«
    »Unmöglich ist nur eine bestimmte Art der Zeitreise«, konterte Eli und fügte in einem ganz ähnlichen Jargon wie Malcolm hinzu: »Geschlossene Zeitschleifen. Aber es gibt andere Möglichkeiten, durch die Zeit zu reisen, auch wenn sie nicht sonderlich attraktiv sind …«
    Colonel Slayton unterbrach ihn mit fester Stimme: »Ich glaube wirklich, dass dies nicht der richtige Moment für eine akademische Diskussion über Zeitreisen ist.« Er musterte mich streng. »Gideon, es tut mir Leid, dass ich das sagen muss, aber man könnte es auch so sehen, dass Sie Malcolms Urteilsvermögen aus persönlichen Gründen in Zweifel ziehen. Ich nehme an, das ist Ihnen klar – und Sie wissen auch, dass es uns klar ist.«
    Julien, Eli und Jonah wandten unangenehm berührt den Blick ab; Larissa hingegen rückte näher an mich heran. »Diese Behauptung ist ein bisschen abwegig, Colonel, nicht wahr?«, sagte sie. »Gideon hat nie etwas getan, was uns Anlass gäbe, ihm zu misstrauen – oder uns ihm gegenüber respektlos zu benehmen.«
    »Gideon weiß ganz genau, wie viel Respekt ich vor ihm habe, Larissa«, erwiderte Slayton. »Aber er weiß auch, dass ich ihm diese Frage stellen muss.«
    Ich nickte Larissa zu, um das, was der Colonel gesagt hatte, zu bestätigen, versuchte aber gleichzeitig, ihr wortlos dafür zu danken, dass sie mir zu Hilfe gekommen war. »Ich verstehe, Colonel«, sagte ich. »Aber glauben Sie mir, ich würde so etwas niemals aus persönlichem Interesse heraus falsch darstellen. Nicht nur, weil es unmoralisch wäre, sondern weil ich Malcolm als Freund betrachtet habe. Und aus meiner Freundschaft zu euch heraus möchte ich euer Augenmerk auf dieses Thema lenken und euch warnen. Mehr kann ich nicht tun. Ich habe Malcolm erklärt, dass ich nicht länger mitmachen kann, und nach einem ziemlich heiklen Moment hat er mir zugestimmt, dass ich abreisen sollte. Es wird also nicht an mir sein, die Frage zu klären, wie es um seine geistige Verfassung bestellt ist. Aber ich musste euch sagen, dass sie meiner Meinung nach geklärt werden muss – und zwar dringend.«
    Colonel Slayton nahm das alles mit einem langsamen Nicken und einer Miene zur Kenntnis, die für seine Verhältnisse schon fast gefühlsbetont war. Julien und die Kupermans hingegen zeigten ihre Traurigkeit ganz offen. »Aber wo wollen Sie denn hin, Gideon?«, fragte Eli schließlich.
    Ich warf Larissa einen raschen Blick zu, aber sie sah mich nicht an. »Das weiß ich noch nicht.«
    »Man wird Sie per Haftbefehl suchen«, warnte Slayton. »In die Vereinigten Staaten können Sie auf gar keinen Fall zurück, und Europa wird ebenfalls gefährlich sein.«
    »Ich weiß.« Zum ersten Mal, seit mir moralische Bedenken bezüglich meiner Teilnahme an Malcolms Unternehmen gekommen waren, dachte ich ganz praktisch darüber nach, diese Leute, mit denen ich in so kurzer Zeit so viele Gemeinsamkeiten entwickelt hatte, zu verlassen; und das machte mir schwer zu schaffen. »Ich werde vermutlich nach Süden gehen«, fuhr ich fort und wandte mich von ihnen ab. »Irgendwohin, wo niemand all diesen Dingen Beachtung schenkt.« Ich bemühte mich, ein Lächeln zustande zu bringen. »Falls jemand mitkommen möchte – ich würde nicht Nein sagen.«
    Slayton, Julien und die Kupermans versuchten, mein halbherziges Lächeln zu erwidern, aber mit ebenso wenig Erfolg wie ich: Der Moment des Abschieds war gekommen, und wir alle wussten es. Slayton trat als Erster auf mich zu und streckte mir seine starke Hand hin. »Einer von uns wird Sie mit dem Turbinenhubschrauber nach Schottland bringen, Gideon. Wir haben eine Notreserve in diversen Währungen, davon können Sie sich etwas nehmen. Und Sie werden ein paar alternative Ausweispapiere und Disks brauchen. Aber seien Sie vorsichtig – wir können dafür sorgen, dass sie für ein durchschnittliches Lesegerät zu Ihrer

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