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Die Täuschung

Die Täuschung

Titel: Die Täuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caleb Carr
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warum? Und wie kommen Sie an all diese Bilder?«
    »Per Satellit«, antwortete Tressalian schlicht. »Mittels unserer eigenen Satelliten.«
    Auf einmal stellte ich eine Verbindung her. »Satelliten … Satelliten! Tressalian – Stephen Tressalian, der Mann, der das Vier-Gigabyte-Satellitensystem entwickelt und damit das moderne Internet geschaffen hat!«
    »Er war mein Vater«, bestätigte mein Gastgeber mit einem vieldeutigen Nicken. »Und diese Sünde hat er in der Tat begangen, zusammen mit vielen anderen. Aber am Ende hat er für seine Missetaten bezahlt – und dank seines Geldes konnten wir all dies realisieren.«
    »Aber was in Gottes Namen tun Sie denn?«
    »Die wichtigere Frage ist im Moment«, antwortete Tressalian ausweichend, »was tut Ihre Regierung?«
    »Meine Regierung? Ist es nicht auch Ihre Regierung?«
    Tressalian schüttelte ein wenig amüsiert den Kopf. »Schon seit vielen Jahren nicht mehr. Wir an Bord dieses Schiffes haben jegliche Staatsangehörigkeit abgelegt – vor allem wegen dieser Art staatlichen Verhaltens.« Er deutete auf die Bildschirme.
    »Was meinen Sie?«, fragte ich. »Was haben die vor?«
    »Es hat den Anschein, als wollten sie den sehr eindrucksvollen unterirdischen Komplex, der in den letzten beiden Jahrzehnten das wichtigste Ausbildungszentrum für islamische Terroristen war, endlich ausradieren.«
    Ich betrachtete erneut das geschäftige Treiben auf den Bildschirmen. »Vergeltung für die Ermordung Präsidentin Forresters durch Khaldun?«, fragte ich.
    Tressalian nickte. »In Ihrem Land sollen schließlich in naher Zukunft Wahlen stattfinden. Aber es gibt da ein kleines Problem bei der Entscheidung Ihrer Regierung, und ich habe Grund zu der Annahme, dass ihr das auch allmählich bewusst wird. Doch in Anbetracht der politischen Schaumschlägerei, die zu diesem Einsatz geführt hat, kann sie unmöglich zulassen, dass jemand wie Sie es aufdeckt. Tariq Khaldun war kein Terrorist, müssen Sie wissen – und er hat Präsidentin Forrester ganz bestimmt nicht umgebracht.«
    »Aber die Disk …«
    »Der Mann auf dieser Disk« – Tressalian tippte auf einem Eingabegerät auf dem Tisch herum und holte die Bilder von dem Mordanschlag, die Max und ich so viele Stunden studiert hatten, auf den Bildschirm – »war in Wirklichkeit ein Schauspieler afghanischer Abstammung, der in den letzten Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts mit bescheidenem Erfolg in der indischen Filmindustrie tätig war. Wir haben uns sein Bild … ausgeliehen.« Tressalian zuckte lächelnd die Achseln. »Woher hätte ich wissen sollen, dass es einen unbedeutenden afghanischen Diplomaten in Chicago gab, der dem Mann zum Verwechseln ähnlich sah? Aber keine Sorge, wir haben Mr. Khalduns Flucht bereits arrangiert. Jedenfalls, der wahre Mörder der verstorbenen, viel betrauerten Präsidentin Forrester ist« – ein weiterer Tastendruck, und auf dem Bildschirm vor mir erschien die zweite Version des Ereignisses, die ich gesehen hatte, jene, in der das Gesicht des Mörders asiatisch gewesen war – »dieser Bursche hier. Hung Ting-hsin, ein Major des chinesischen Auslandssicherheitsdienstes.«
    Ich hielt inne. Den Reigen aus Feuer und Tod draußen vor der transparenten Hülle nahm ich mittlerweile überhaupt nicht mehr wahr. »Sie haben die Geschehnisse absichtlich falsch dargestellt?«
    »Ja, so Leid es mir tut.«
    »Dann hat Price diese Bilder also für Sie geschaffen – Sie waren der ›private Auftraggeber‹, von dem mir seine Frau erzählt hat.«
    »Ebenfalls richtig. Niemand von uns war glücklich über Mr. Prices Tod, Doktor – aber er hatte beschlossen, uns zu erpressen. Und als Larissa und Jonah ihm einen Besuch abstatteten, um ihn zu warnen, ist er gewalttätig geworden. Er hat Jonah gegen die Wand gestoßen und hätte noch Schlimmeres getan, aber – nun ja, Larissa …«
    All die Stücke des Puzzles, in dessen Mittelpunkt der Tod von John Price und Max stand, ordneten sich plötzlich zu einem Bild – aber ich konnte keinen Grund dafür entdecken, warum Tressalian all dies tat, und darum stellte ich ihm noch einmal ganz unverblümt diese Frage.
    »Oh, ich habe meine Gründe«, sagte er und gab einen tiefen, schweren Seufzer von sich; dann zuckte er auf einmal zusammen. »Ich habe meine …« Seine Augen wurden groß, als die Schmerzattacke – denn dafür hielt ich es – rasch schlimmer zu werden schien. »Sie müssen mich … entschuldigen, Doktor. Ich bekomme anscheinend …« Plötzlich krallte er die

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