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Die Täuschung

Die Täuschung

Titel: Die Täuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caleb Carr
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pechschwarze Haar hinauf.
    »Dr. Wolfe«, sagte Tressalian, »das ist Colonel Justus Slayton.«
    »Im Ruhestand«, fügte der Colonel in jenem leisen, beinahe bedrohlichen Ton hinzu, der deutlich machte, dass ich gut beraten wäre, im Umgang mit ihm stets Vorsicht walten zu lassen.
    Das tat ich auch. »Etwa der Colonel Slayton«, fragte ich und streckte ihm die Hand hin, »der beinahe den Verlauf des Taiwanfeldzugs verändert hätte?« Das schien dem Mann ein wenig von seiner stählernen Härte zu nehmen, und er ergriff tatsächlich meine Hand, umschloss sie mit der seinen und drückte mit eindrucksvoller Kraft zu.
    »Niemand hätte etwas am Verlauf dieses Feldzugs ändern können«, antwortete Slayton. »Meine Männer und ich leisteten einen Scheinwiderstand – wir waren ein Schlachtopfer, mehr nicht.«
    »Dargebracht auf dem Altar der ausgeweiteten Handelsbeziehungen mit den Kommu-Kapitalisten in Peking«, stimmte ich mit einem Nicken zu. »Trotzdem, Sie haben denen einen höllischen Kampf geliefert.«
    »Nochmals ausgezeichnet, Doktor«, sagte Tressalian. »Nicht viele Menschen verstehen, was bei diesem Feldzug geschehen ist. Was Sie über den Colonel jedoch vielleicht nicht wissen: Nach seiner Verwundung auf Taiwan ist er einer der Spitzenleute des Pentagon für die Waffenentwicklung geworden. Das war natürlich, bevor ich ihn überredet habe …«
    »Malcolm«, unterbrach Colonel Slayton. »Bevor wir noch mehr erzählen, sollten wir die Sache mit der DNA-Disk des Doktors erledigen.«
    Tressalian wurde ein wenig verlegen. »O ja, absolut richtig, Colonel. Ich muss mich noch einmal entschuldigen, Doktor. Aber die jüngsten Ereignisse haben uns gezwungen, in unserem Umgang ein bisschen vorsichtiger zu werden. Haben Sie etwas dagegen?«
    »Oh – nein, natürlich nicht.« Ich griff nach meiner Brieftasche und nahm meine DNA-Identifikationsdisk heraus. »Zum Teufel«, fuhr ich fort, während ich mir rasch ein Haar ausriss und ihnen beides aushändigte, »in den letzten paar Tagen hätte nicht einmal ich selbst beschwören können, dass ich ich bin.«
    Tressalian und ich sahen zu, wie Slayton ein kleines DNA-Lesegerät zum Vorschein brachte (es hatte große Ähnlichkeit mit demjenigen, das Max beinahe überallhin mitgenommen hatte) und dann die Disk und das Haar hineinsteckte. Nach ein paar Sekunden nahm er sie wieder heraus und gab mir die Disk mit einem Nicken zurück. »Gut, damit wäre das erledigt«, sagte Tressalian und ging zu der Metalltreppe hinüber, die zur Aussichtskuppel hinaufführte. »Also, Doktor, ich beantworte Ihnen gern all Ihre Fragen – aber ich könnte mir vorstellen, dass Sie Larissa gern in Aktion sehen würden, während wir uns unterhalten.«
    Ich ging neben Tressalian die Treppe hinauf. Seine langsamen Bewegungen wirkten geübt, wenn nicht gar mühelos. Slayton blieb ein paar Schritte hinter uns, entweder um aufzupassen, dass Tressalian nicht stürzte, oder um ein Auge auf mich zu haben; aller Wahrscheinlichkeit nach ein bisschen von beidem. Ganz gleich, wo der Colonel war, man war sich seiner Gegenwart deutlich bewusst, nicht zuletzt wegen der verstörenden, geheimnisvollen Narbe in seinem Gesicht. In einer Zeit, in der fast jedes Organ oder Gewebe im menschlichen Körper außer dem Gehirn in medizinischen Laboratorien künstlich hergestellt werden konnte – in der die Haut des Colonel also dupliziert, wie Stoff reproduziert und dann auf seine Verletzung hätte verpflanzt werden können –, war die Tatsache, dass er sich nicht um seine Entstellung kümmerte, sicherlich ein Indiz für den Charakter des Mannes. Die Frage war, was tat ein solcher Charakter im Dienst des seltsamen, bemerkenswerten Mannes, der neben mir her humpelte?
    All diese Gedanken verflogen schlagartig, als wir die Aussichtskuppel erreichten, die einen ungehinderten Blick in alle Richtungen bot – einen Blick, der die Grenzen dessen, was ich zu glauben bereit war, um einiges hinausschob.

10
    U m uns herum erstreckte sich der Nachthimmel, aber ich hatte keine Gelegenheit, mich daran zu erfreuen: Ich sah, dass unser Schiff von mindestens fünf Geronimos verfolgt wurde, Apache Mark V Militärhubschraubern, die von den lokalen Polizeikräften wie auch vom FBI für ihre Zwecke umgebaut worden waren. Ihre Kanonen rotierten, als sie Leuchtspurgeschosse auf uns abfeuerten. Zudem jagte eine Flotte der neuesten Hummer mit Blinklicht durch die Straßen unter uns; ihre großkalibrigen Geschütze spien Feuer. So wie es aussah,

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