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Die Täuschung

Die Täuschung

Titel: Die Täuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caleb Carr
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Frage, woher sie dieses Wissen hatten, und machte mir auch keine Gedanken darüber, wie viel der Bau des Schiffes gekostet haben mochte, mit dem wir unterwegs waren. Der Vater von Malcolm und Larissa Tressalian, Stephen, dessen Satellitensystem das moderne Internet möglich gemacht hatte, war nicht nur einer der reichsten Männer der Welt gewesen, sondern auch der Anführer jener Gruppe von Informationstechnokraten, die in der Krise von ’07 ihre gemeinsamen privaten und geschäftlichen Vermögenswerte eingesetzt hatten, um die Zahlungsfähigkeit der amerikanischen Regierung sicherzustellen, so wie der Finanzier J. P. Morgan und seine Partner ein Jahrhundert zuvor. Anschließend hatten Tressalian und seine Verbündeten diese dringend notwendige Unterstützung als Knüppel benutzt und auf Washington eingeprügelt, bis alle Versuche zur Regulierung des kommerziellen Umgangs mit Informationen aufgegeben wurden. Damit hatten sie unter anderem auch der ohnehin schon angeschlagenen Idee der Privatsphäre den Todesstoß versetzt.
    Es gab sicher nur wenige Dinge, die für die Erben eines solchen Mannes unerreichbar waren, aber das allein war keine Antwort auf die dringenden Fragen, mit denen ich erneut rang, während ich mich wusch und zum Abendessen umzog: Was genau führten diese Leute im Schilde, und wieso waren sie zu dem Schluss gekommen, – um mit Larissa zu sprechen – dass sie mich brauchten?
    Zwanzig Minuten später war ich wieder auf dem Weg zum Bug des Schiffes, fest entschlossen, mich diesmal nicht mit kryptischen Antworten abspeisen zu lassen.

13
    D er Konferenztisch auf der untersten Ebene des Bugs war mit einem prächtigen Tischtuch versehen und mit Porzellangeschirr, Silberbesteck und Kerzen gedeckt worden, und die Farbe des Panoramas außerhalb des Schiffes hatte sich in ein sattes Schwarzblau verwandelt, was darauf schließen ließ, dass wir ostwärts in die tieferen Regionen des Atlantik abgebogen waren, weg von dem Unrat im Küstenbereich. Die Außenbeleuchtung des Schiffes warf hübsche Lichtsäulen in diese sagenumwobenen Tiefen, doch obwohl ich die Schönheit des Anblicks bewunderte, hatte er etwas Merkwürdiges, Einsames an sich, was ich anfänglich nicht erklären konnte. Ich versuchte, das Gefühl abzuschütteln, schrieb es meinem allgemeinen Eindruck zu, ganz allein an einem seltsamen Ort zu sein – doch dann wurde mir klar, dass es in Wahrheit von dem unerwarteten und äußerst auffälligen Fehlen jeder Spur von Leben im Wasser herrührte. Tarbell stand bereits am Tisch, zusammen mit den Kupermans; und obwohl ich nicht sehen konnte, wer für die Zubereitung der Speisen zuständig war und wo sie stattfand, waren die Düfte, die den Raum erfüllten, außerordentlich appetitanregend. Tarbell reichte mir ein Glas seines privaten Wodkas – eine russische Marke, die ich nicht kannte –, und dann fragte Eli Kuperman: »Sie mögen doch Lamm, nicht wahr, Dr. Wolfe? Medium gebraten, wenn ich nicht irre. In ein paar Minuten ist es fertig.«
    »Keiner von uns kommt tagsüber richtig zum Essen«, fügte Jonah Kuperman hinzu, während er durch eine kleine Tür hinausging, die augenscheinlich in eine Art Kombüse führte, in der ich Julien Fouché schwitzend an einem Herd aus rostfreiem Stahl schuften sah. »Deshalb versuchen wir, das Abendessen so kultiviert wie möglich zu gestalten.«
    Ich nahm ein paar Besteck- und Geschirrteile in die Hand: sehr elegant und sehr alt. »Das kann ich mir vorstellen«, war alles, was mir dazu einfiel, während ich einen Schluck von Tarbells Wodka trank und mich erneut zu orientieren versuchte: Immerhin hatte ich noch vor kurzem in demselben Bereich gestanden und eine draußen stattfindende Schlacht beobachtet. »Vermutlich möchte mir keiner erzählen«, fuhr ich fort, »womit ihr euch alle tagsüber so intensiv beschäftigt? Ich meine, wenn ihr nicht gerade jemanden aus dem Gefängnis befreit.«
    Fouché hob die Stimme und rief aus der Kombüse: » Das hätte nie passieren dürfen! Ein Lieblingsprojekt der frères Kuperman , das völlig aus dem Ruder gelaufen ist!«
    »Nun hör aber auf, Julien!«, gab Eli zurück. »Es war ebenso berechtigt wie alles andere, was wir getan haben. Du hast doch die Statistik gesehen: Das Glücksspiel ist seit dem Zusammenbruch zu einer Epidemie geworden, und ich werde auf gar keinen Fall zulassen, dass dies durch einen Haufen anthropologisch unsinniger Folklore legitimiert wird. Wenn es uns gelungen wäre, dieses Beweismittel dort

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