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Die Täuschung

Die Täuschung

Titel: Die Täuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caleb Carr
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einzuschmuggeln …«
    »›Einzuschmuggeln‹?«, fragte ich verblüfft. »Sie meinen, Sie wollten nichts stehlen?«
    Jonah Kuperman warf mir einen freundlichen Blick zu. »In dieser Begräbnisstätte gibt es wirklich nichts, was sich zu stehlen gelohnt hätte, Dr. Wolfe.«
    »Gideon«, sagte ich.
    »In Ordnung – Gideon. Nun, wie Sie wahrscheinlich wissen, ist schon seit Jahren klar, dass die diversen Völker, die sich ›Amerikanische Ureinwohner‹ nennen, in Wahrheit nicht die ersten Bewohner dieses Kontinents waren. Viele Stämme haben jedoch versucht, Beweise, die diese Schlussfolgerung stützen würden, zu unterdrücken oder zu vernichten. Sie haben Angst, und zwar mit gutem Grund, dass sie, mit einem Mal als simple Unterwerfer ihrer Vorgänger entlarvt, die emotionale und historische Rechtfertigung für eine Menge fragwürdiger Aktivitäten verlieren würden – zum Beispiel für das Züchten einer Generation Glücksspielsüchtiger in ihren Casinos.«
    »Diese Begräbnisstätte in Florida wird gegenwärtig von einem Team aus Harvard erforscht«, sagte Eli, »und Jonah und ich haben versucht, mehrere Artefakte einzuschmuggeln, um zu zeigen …«
    Eli unterbrach sich, als er das Geräusch von Malcolm Tressalians Rollstuhl auf der Kommandoebene über uns hörte. Den Männern, die sich mit mir auf der unteren Ebene befanden, war die Besorgnis über die Verfassung ihres Anführers anzusehen. Sie entspannten sich jedoch wieder, als wir alle Tressalian ausrufen hörten:
    »Was wäre ein Abendessen ohne eine unserer anregenden beruflichen Meinungsverschiedenheiten! Obwohl Sie noch feststellen werden, Dr. Wolfe, dass diese Diskussionen im Lauf des Abends ziemlich persönlich werden können.«
    Langsame, schwere Schritte auf der Metalltreppe ließen erkennen, das Tressalian mit Hilfe seiner Krücken herunterkam, und als er gleich darauf erschien, verrieten seine hellblauen Augen nichts mehr von den ungeheuren Schmerzen, die zuvor in seinem Blick gelegen hatten. Hinter ihm sah ich Colonel Slayton, der wachsam wie immer nach etwaigen Anzeichen von Ärger Ausschau hielt, und Larissa, die uns durch ein schweres Gefecht mit den Gesetzeshütern geführt hatte und darum nur noch schöner aussah.
    »Nun, Gentlemen, wem machen wir denn heute Abend die Hölle heiß?«, fuhr Tressalian fort. Ich hatte den Eindruck, dass keiner der anderen auf die Idee kam, den Mann zu fragen, wie es ihm ging, nachdem sie nun sahen, dass er sich erholt hatte. Und das, obwohl der Anfall, der zuerst seinen Kopf und dann seinen ganzen Körper erfasst hatte, sehr heftig gewesen sein musste. Ich folgte ihrem Beispiel, denn mir fielen Tarbells Worte ein, so etwas geschehe ziemlich regelmäßig, und wie zuvor, als ich zum ersten Mal gesehen hatte, wie Tressalian sich aus seinem Rollstuhl quälte, nahm ich auch diesmal an, dass er keinen Wert auf Hilfe und Mitgefühl legte.
    »Oh, Malcolm, es ist absurd!«, rief Fouché, der aus der Kombüse auftauchte. »Eli und Jonah behaupten immer noch, ihre Florida-Eskapade sei den Ärger wert gewesen, den sie uns eingebrockt hat!«
    Während auf diese Worte hin allgemeiner, wenn auch gut gelaunter Protest laut wurde, kam Larissa zu mir. »Tut mir Leid, dass ich Ihnen nicht helfen konnte, sich einzugewöhnen«, sagte sie leise. Ihre dunklen Augen glänzten in dem sanften Licht noch mehr als ihr silbernes Haar. »War alles zu Ihrer Zufriedenheit?«
    »Ja, absolut.« Ihre Gegenwart machte mich erneut sehr befangen. »Dr. Tarbell hat mir nach besten Kräften geholfen, mich zurechtzufinden, obwohl das ein bisschen viel verlangt war. Aber Ihr Bruder – geht es ihm …?«
    »Jetzt wieder gut«, sagte sie noch leiser. »Aber darüber können wir später sprechen.«
    Die Diskussion am Tisch ging weiter, bis Tressalian sich schließlich veranlasst sah, die Hände zu heben: »Bitte, Gentlemen, denken Sie an Ihre Manieren! Jonah, Eli – ich glaube, für die nähere Zukunft müssen wir euch bitten, eure Aktivitäten zum Thema Glücksspiel auf das Einholen von Informationen zu beschränken. Niemand hat etwas dagegen, dass ihr mit Feuereifer dabei seid – wir alle kennen das Ausmaß des Problems und die unzutreffenden Behauptungen, die ihm zu Grunde liegen. Aber momentan haben wir weitaus wichtigere Dinge zu tun. Und außerdem sind wir unsagbar unhöflich zu unserem Gast, der, wenn ich mich nicht irre, nur einen Bruchteil dessen versteht, worüber wir sprechen.«
    Ich schüttelte kurz den Kopf. »Sie irren sich keineswegs«,

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