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Die Täuschung

Die Täuschung

Titel: Die Täuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caleb Carr
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hier versammelt sind, diese Veränderungen« – er trank einen Schluck Espresso, während er nach einem Wort suchte – »für verhängnisvoll halten.«
    Nun war Leon Tarbell an der Reihe. »Das ›Informationszeitalter‹ hat keinen freien Austausch von Wissen gebracht, Gideon. Frei ausgetauscht wird nur, was die unerotischen Wächter der Informationstechnologie für akzeptabel halten.«
    »Und ihrem Wesen nach bedeutet diese Technologie, dass es kein echtes Wissen mehr gibt «, setzte Eli Kuperman noch einen drauf, »denn was diese Wächter durch ihre Vermittlungssysteme rutschen lassen, ist völlig ungeregelt und gar nicht verifizierbar. Irrtümlich für Fakten gehaltene Behauptungen – oder noch schlimmer, Täuschungsmanöver in kleinem oder großem Maßstab, gestützt von gefälschten Beweisen und digital manipulierten Bildern – werden allgemein als wahr akzeptiert, bevor man überhaupt die Möglichkeit gehabt hat, auch nur ansatzweise ihre Gültigkeit zu überprüfen.«
    »Und bedenken Sie«, fügte Jonah Kuperman hinzu, »dass wir inzwischen nicht nur eine, sondern mehrere Generationen von Kindern großgezogen haben, die nur derlei fragwürdigen Daten ausgesetzt waren …«
    »He, he, nun mal langsam«, rief ich schließlich und hob die Hände. In der kurzen Pause, die darauf folgte, stieß ich einen tiefen, nervösen Atemzug aus. »Das klingt ja allmählich wie eine völlig überdrehte Verschwörungstheorie – Technoparanoia der schlimmsten Sorte. Wie kommt ihr denn um Himmels willen auf die Idee, jemand könnte Täuschungsmanöver auf einer Ebene durchführen, dass dadurch ganze Gesellschaften fundamental verändert würden?«
    Um mich herum wurde es auf einmal merkwürdig still. Dann drehte sich einer nach dem anderen zu Tressalian um, der auf seine Fingerspitzen schaute, die er langsam gegeneinander wippen ließ. Nach ein paar Sekunden blickte er zu mir auf. Das Lächeln auf seinem Gesicht war so charmant, aber auch so spitzbübisch wie noch nie an diesem Abend. »Wir wissen es, Doktor«, sagte er leise, »weil wir es getan haben.«
    »Ihr?«
    Tressalian nickte. »Sogar mehrmals. Und ich glaube, das Beste kommt erst noch – wenn Sie uns helfen.«
    »Aber …« Ich versuchte, es zu begreifen. »Aber ich meine – ich dachte, ihr wärt gegen das alles.«
    »Oh, damit wir uns nicht falsch verstehen, das sind wir.« Tressalian drehte seinen Rollstuhl mühsam um und fuhr zum vordersten Rand der Kuppel. Echter Abscheu und sogar Zorn klangen in seiner Stimme mit. »Die menschliche Gesellschaft ist krank, Doktor – diese törichte, oberflächliche, von Informationen geplagte Gesellschaft. Und unsere Arbeit?« Er schaute in den unheimlichen, halbdunklen Himmel hinaus und wurde ruhiger. »Wenn wir Glück haben, wird unsere Arbeit das Antibiotikum sein, das die Gesellschaft zum Kampf gegen die Infektion anspornt.« Ein nagender Zweifel schien seinen Zügen etwas Verkniffenes zu verleihen. »Vorausgesetzt natürlich, wir bringen den Patienten nicht um …«
    Ich wollte ihn gerade um eine nähere Erläuterung dieser offenkundig abstrusen Äußerung bitten, als plötzlich erneut der Schiffsalarm ertönte. Slayton teilte uns mit, wir gingen nun auf »Reiseflughöhe« hinunter, ein harmloser Ausdruck, der, wie ich bald erfuhr, nichts mit gemütlichem Dahingondeln zu tun hatte, sondern eine Flughöhe von ein- bis zweihundert Metern bezeichnete, wie zu dem Zeitpunkt, als ich in Florida an Bord des Schiffes gegangen war. Die allgemeine Erregung wuchs, und alle standen auf und versammelten sich um Tressalian. Ich folgte ihnen nur zögerlich, da ich immer noch damit beschäftigt war, mit all dem gerade Gehörten zurande zu kommen. Konnte es wirklich sein, dass diese Leute es ernst meinten? Waren sie wirklich davon überzeugt, man könnte die Verbreitung wichtiger Informationen in der Öffentlichkeit manipulieren, um eben jener Öffentlichkeit dadurch ins Bewusstsein zu rufen, wie leicht – und deshalb gefährlich – solch eine Manipulation in unserer Zeit geworden war? Es war absurd, unmöglich …
    Und dann erinnerte ich mich mit einem Erschauern, das nichts mit Larissas Nähe zu tun hatte, an die Bilder auf der Disk, die Max und ich bekommen hatten – die Bilder von Präsidentin Forresters Ermordung. Ein Jahr lang hatte die Welt eine Version dieser bedeutsamen Ereignisse für wahr gehalten, die auch nicht annähernd den Tatsachen entsprach. Und jetzt war die stärkste Macht der Welt im Begriff, einen Militärschlag

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