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Die Täuschung

Die Täuschung

Titel: Die Täuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caleb Carr
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zu führen, der auf eben diesem Irrtum beruhte – einem Irrtum, absichtlich fabriziert von Tressalian und seinem Team, die gerade auf dem Weg zum Schauplatz dieses Militärschlags waren, um – was zu tun? Dabei zuzuschauen? Sich mit ihrem erstaunlichen Schiff daran zu beteiligen? Oder die Vorgänge mit weiteren fabrizierten Informationen zu manipulieren? Beinahe überkam mich die Angst vor den Antworten auf diese Fragen. Ich gesellte mich wortlos zu den anderen und blickte zusammen mit ihnen in die Dunkelheit hinaus.
    Trotz meiner neuerlichen Verwirrung bemerkte ich, dass das Schiff ein weiteres Mal auf eine ganz andere Flughöhe gegangen war, ohne auch nur kurz durchgerüttelt zu werden, ohne eine wahrnehmbare Veränderung des Kabinendrucks. Wir flogen wieder in geringer Höhe über dem Ozean dahin, nur dass dieser Ozean das Arabische Meer war, wie ich zu meiner Bestürzung erfuhr; das hieß, wir waren in großer Höhe weitaus schneller gewesen als die modernsten Überschallflugzeuge, die gegenwärtig im Einsatz waren. Während ich zusah, wie wir über das mondbeschienene Wasser unter uns hinwegrasten, wandte sich Larissa zu mir und flüsterte mir ins Ohr:
    »Nicht dass ich nicht mit allem einverstanden wäre, was die anderen gesagt haben, Doktor – ich versichere Ihnen, das bin ich –, aber vergessen Sie das für einen Moment und konzentrieren Sie sich auf den Flug. Kann eine politische Diskussion das Blut wirklich so in Wallung versetzen wie dieses Schiff? Ich glaube kaum. Wenn Sie also überlegen, ob Sie sich uns anschließen sollen, denken Sie auch daran …« Ich drehte mich zu ihr um. »Sie und ich könnten buchstäblich in jeden Winkel der Welt reisen, so wie wir es jetzt tun – ohne Einschränkungen, ohne andere Gesetze als unsere eigenen. Sind Sie dabei?«
    Ich sah wieder hinaus. »Meine Güte – ich würde gern ja sagen«, erklärte ich ihr unsicher. »Aber es ist alles so …« Ich versuchte, mich zusammenzureißen. »Bei impulsiven Entscheidungen war mir noch nie besonders wohl.«
    Sie schenkte mir ihr kokettes Lächeln. »Ich weiß.«
    »Und es stört Sie nicht?«
    Sie ließ ein verständiges kleines Brummen hören. »Nicht allzu sehr. Das ist immerhin einer der Gründe, weshalb wir Sie bei uns haben wollten.« Sie strich mir mit einer Hand ganz leicht über die Wange. » Einer der Gründe …«
    Ohne sich zu uns umzudrehen, rief Tressalian: »Ach, Schwester – wenn ich stören darf, vielleicht möchtest du uns erklären, für welche Form der Annäherung du dich entschieden hast. An unser geografisches Ziel, meine ich.«
    Larissa bedachte mich mit einem weiteren forschenden Blick, bevor sie ihm antwortete. » Sehr witzig, Bruder. Südlich von Karatschi werden wir Land sichten, dann folgen wir dem Indus-Tal nach Norden. Mit Radar kann man uns ja ohnehin nicht aufspüren, und da der Fluss seit dem Beginn des Kaschmir-Krieges eine nukleare Todeszone ist, dürfte auch kein Risiko eines Sichtkontakts bestehen. Wir fliegen am fünfunddreißigsten Breitengrad entlang in den Hindukusch und dann nach Norden zum Tal des Amu-Darya. Das Lager zieht sich an der afghanischen Seite der Grenze zu Tadschikistan entlang. Wir werden kurz nach Tagesanbruch dort eintreffen, genau nach Plan. Der Apparat wird bereits in Betrieb sein.«
    »Gut.« Tressalian wandte sich von der transparenten Hülle ab, als in der dunklen Ferne soeben der schwarze Streifen der Küstenlinie undeutlich sichtbar wurde, und richtete seinen Blick auf mich. »Dann hat der Doktor ja noch Zeit, seine restlichen Fragen zu stellen.«
    »Fragen«, sagte ich in dem Versuch, mich zu konzentrieren. »Ja, ich habe noch Fragen. Aber eines muss ich jetzt sofort wissen.« Ich ging zu ihm und schaute aufmerksam auf ihn hinunter. »Wie viele andere Lügen wie die Geschichte von Forresters Ermordung glaube ich, ohne es auch nur zu ahnen?«
    »Sie meinen«, antwortete Tressalian, »wie viele der Informationen , die Ihre Realität ausmachen, sind absolut unzuverlässig?« Ich nickte, und er machte die Augen weit auf und hob die Brauen, als wollte er mich auf das vorbereiten, was dann kam: »Sicherlich mehr, als Sie glauben würden, Doktor, und höchstwahrscheinlich mehr, als Sie glauben werden … «

16
    W ie kann ich die folgenden Stunden beschreiben? Wie soll ich meine Verwandlung vom Beobachter, der Malcolm Tressalians absonderliche, ja sogar verrückte Pläne skeptisch (wenn auch fasziniert) zur Kenntnis nahm, zum Teilnehmer erklären, der rückhaltlos bei

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