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Die Täuschung

Die Täuschung

Titel: Die Täuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caleb Carr
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fort, »als ich Malcolm und les frères Kuperman unterrichtete, hielt ich sie anfangs nur für einen amüsanten Haufen studentischer Witzbolde. Später erfuhr ich jedoch, wie ernst es ihnen mit ihrer Sache war, und da beschloss ich, mich mit ihnen zusammenzutun. Und wenn wir Erfolg haben – wenn Malcolm Recht hat und man der großen Mehrheit der Weltbevölkerung die Gefahren der heutigen Zeit aufzeigen kann –, dann wird vielleicht auch der Tod all der Millionen Menschen, die in solchen Albträumen wie der Epidemie ums Leben gekommen sind, irgendeinen Sinn haben.«
    Er kniff die Augen zusammen, während er die anderen weiterhin beobachtete, dann wurde seine Stimme kräftiger: »Ah! Wir können den Tunnel jetzt betreten, wie ich sehe. Zeit für Ihren ersten Auftritt auf der großen Bühne, Gideon!«
    Die Ereignisse der nächsten Stunde waren eine seltsame, aber aufregende Mischung aus einem Besuch in einer Anstalt für geisteskranke Kriminelle und einer zu realem Leben erwachten Abenteuergeschichte aus der Kindheit. Während die Kupermans am Eingang des Tunnels Wache hielten, drangen Slayton, Tarbell, Fouché und ich durch das labyrinthische unterirdische Netz der islamischen Terroristen zu einer riesigen Kammer vor, in der zahlreiche seidene Banner hingen. An den Wänden der Kammer kauerte eine Schar junger Frauen, die hinter ihren Schleiern außergewöhnlich schön zu sein schienen, zusammen mit einem Dutzend Kinder. Und auf einem dicken Teppich in der Mitte des Raumes ruhte auf einigen Kissen der einzige männliche Bewohner, eine in aller Welt berüchtigte Gestalt, die auf den ziemlich ambitiösen Namen Suleyman ibn Muhammed hörte. Die ganze Szenerie zeigte mir, dass ibn Muhammed ein entschiedener Verfechter der Polygamie war; und seine Augen zeigten mir, dass er auch ein Jünger des Opiums war, dessen ekelhaft süßlicher Geruch sich mit dem starken Duft der Erde vermischte und eine drückende Atmosphäre um uns herum erzeugte.
    Da ibn Muhammed offenkundig nicht ganz bei Sinnen war, richtete ich meine Aufmerksamkeit auf seine Frauen. Mit Hilfe Tarbells – der sich als Sprachgenie erwies, was zu seiner Arbeit als unübertrefflicher Fälscher passte – schilderte ich, was in der Umgebung passieren würde, und bot dabei sämtliche Bilder zum Thema »göttliches Feuer« auf, an die ich mich von einer College-Vorlesung über den Koran erinnerte. Während ich sprach, stieg die Temperatur sogar in dieser Tiefe unter dem Erdboden weiter mit alarmierender Schnelligkeit an, und ich hob hervor, dass dies nichts mit den Amerikanern zu tun hatte, was bedeutete, wenn die Frauen und Kinder starben, würden sie nicht als Märtyrer ins Paradies kommen. Ibn Muhammed wollte Einwände erheben, brachte aber nichts Verständliches hervor; und so nahmen die Frauen schließlich ihre Kinder und folgten uns nach draußen, bestiegen eines der letzten Fahrzeuge, die aus dem Gebiet wegfuhren, und ließen ihren Anführer zurück, der in dem Raum, der sich langsam, aber sicher in einen unterirdischen Ofen verwandelte, gebacken werden würde.
    Wir machten uns in aller Eile auf den Rückweg zum Schiff und kamen dort auch mit heiler Haut an. Malcolm, dessen Verfassung sich erheblich gebessert hatte, wartete schon auf uns. Während das Schiff sich nach Norden absetzte, überschüttete er uns mit Fragen über die Mission, aber ich für meinen Teil war völlig erschöpft und erklärte ihm, ich könne erst mit ihm reden, wenn ich den Schlaf, der mir an diesem Morgen entgangen sei, ausführlich nachgeholt hätte. Ich taumelte durch die Gänge zurück zu meiner Kabine. Als ich die Tür öffnete, stellte ich fest, dass es in dem Raum dunkel war – bis auf den Lichtschein einer einsamen Kerze, die auf einem antiken Nachttisch stand …
    Und in dieser eigentümlichen Lowtech-Beleuchtung sah ich Larissa, die in meinem Bett auf mich wartete. Sie lag nackt unter einer Decke und trug ihr charmantestes Lächeln zur Schau. Normalerweise wäre dies wohl kaum ein unwillkommener Anblick gewesen; aber in Anbetracht all dessen, was ich an diesem Morgen erfahren hatte, war die Situation alles andere als normal.
    Larissa sah die Bestürzung in meinem Gesicht und wusste sofort, was los war. »O je«, seufzte sie. Das silberne Haar fiel ihr ins Gesicht, die dunklen Augen glitzerten. »Die Jungs haben geredet, wie ich sehe.«
    »Ja«, sagte ich.
    Sie musterte mich aufmerksam, und hinter der Koketterie glaubte ich echte Enttäuschung zu erkennen. »Das hat dich

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