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Die Täuschung

Die Täuschung

Titel: Die Täuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caleb Carr
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sie mich nicht gebeten hätte, nach Ihnen zu sehen. Und wer weiß, in welcher Verfassung wir Sie schließlich gefunden hätten.«
    Er nahm meine Worte zur Kenntnis, indem er eine Hand hob. Nach einer kurzen Pause sah er mich dann mit offenkundiger Neugier an. »Sie und Larissa – ihr habt euch wirklich sehr gern, wie es scheint.« In der Annahme, dass er immer noch benommen war, lächelte ich nur freundlich. »Wie ist das?«, fragte er.
    Ich hatte erwartet, dass Malcolm irgendwann einen Haufen Fragen über meine Beziehung zu seiner Schwester stellen würde, aber mit dieser hatte ich nicht gerechnet. Ich kam zu dem Schluss, dass er noch desorientierter sein musste, als ich vermutet hatte. »Sie meinen – wie es ist, in Ihre Schwester verliebt zu sein?«, sagte ich.
    »In irgendeine Frau verliebt zu sein«, sagte Malcolm. »Und von ihr geliebt zu werden – wie ist das?«
    Während er sprach, merkte ich an der Klarheit seines Blickes und seiner Worte, dass ich mich geirrt hatte – er war zwar geschwächt, aber keineswegs verwirrt –, und diese Erkenntnis traf mich wie ein Schlag vor den Kopf. Von allem, was Stephen Tressalian seinem Sohn geraubt hatte, schien mir dies das Wertvollste und Schockierendste zu sein. Es war unsagbar grausam, dass Malcolm die Antwort auf seine eigene Frage nicht kennen sollte; noch grausamer war jedoch, dass die Gründe dafür so klar auf der Hand lagen. Ich suchte verzweifelt nach einer Antwort, die nichts von meiner Betrübnis verraten würde, und sagte schließlich: »Larissa ist alles andere als ›irgendeine Frau‹.«
    Malcolm dachte darüber nach. »Wissen Sie das?«, fragte er nach einer Weile. »Aus Erfahrung, meine ich.«
    »Ich denke schon«, antwortete ich. »Jedenfalls glaube ich es. Das ist das Entscheidende.«
    »Ja«, sagte er und legte nachdenklich die Finger an den Mund. »Das ist wirklich das Entscheidende, nicht wahr? Der Glaube …« Wir saßen ungefähr eine Minute lang da, ohne ein weiteres Wort zu sagen, während Malcolm die Luft mit einem geräuschvollen Zischen in die Lungen saugte und wieder ausstieß. Dann wiederholte er: »Der Glaube … damit habe ich mich nicht ausführlich genug beschäftigt, Gideon. Ich habe mich auf die Täuschung konzentriert – auf die Täuschungen unserer Zeit und meine eigenen Versuche, sie mittels Täuschung zu entlarven. Aber ich hätte dem Glauben mehr Aufmerksamkeit schenken sollen – er ist es nämlich, der uns in diese missliche Lage gebracht hat.« Er schien wieder zu Kräften zu kommen, obwohl ich den Eindruck hatte, dass der plötzliche Energieschub weniger von einer echten körperlichen Besserung als vielmehr von der Chance herrührte, über die Dinge zu reden, die ihm derart zu schaffen machten. »Was ist das, Gideon? Was bringt einen Mann wie Dov Eshkol dazu, so fest an seine Überzeugungen zu glauben, dass er fähig ist, jedes Verbrechen zu begehen?«
    Wegen der beruhigenden Wirkung, die das Gespräch auf ihn hatte, ging ich weiterhin darauf ein; und so begannen wir in der bizarren, bedrohlichen Stille des langsam fliegenden Schiffes, umringt und unablässig beäugt von den mechanischen Lakaien unserer Feinde am Erdboden, über die seelische Verfassung und die Denkweise des Mannes zu reden, den wir jagten.
    »Ein solcher Glaube wird natürlich von einer ganzen Reihe von Faktoren geprägt«, sagte ich. »Aber wenn ich einen hervorheben müsste, würde ich sagen, es ist Angst.«
    »Angst?«, wiederholte Malcolm. »Angst wovor? Vor Gott?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Die Formen der Angst, die ich meine, treten auf, lange bevor wir mit irgendeiner Gottesidee konfrontiert werden. Vom Tag unserer Geburt an gibt es zwei elementare Schrecknisse, unter denen alle Menschen leiden, ganz gleich, in welchem Milieu sie aufwachsen. Das erste ist das Entsetzen, das wir verspüren, wenn wir merken, dass wir in Wirklichkeit einsam und voneinander isoliert sind. Das zweite ist natürlich die Angst vor dem Tod. Trotz aller Unterschiede im Einzelfall wirken sich diese Ängste auf unser aller Leben aus und sind zumindest teilweise verantwortlich für alle Verbrechen – auch solcher, wie Eshkol sie begangen hat.«
    Ich hielt inne und musterte Malcolm ein paar Sekunden: Er nickte und schien mit jeder Sekunde ruhiger zu werden, obwohl der Blick seiner blauen Augen auf die Drohnen draußen geheftet blieb. »Sprechen Sie weiter«, sagte er nach etwa einer halben Minute. »Wir müssen unbedingt wissen, wie sein Verstand funktioniert.«
    »In

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