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Die Täuschung

Die Täuschung

Titel: Die Täuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caleb Carr
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vielleicht, dachte ich, weil sie im tiefsten Innern mit mir einer Meinung war. »Bei solchen Sprüchen kommt es meist darauf an, von wem sie stammen.«
    »In diesem Fall von Henry Adams, glaube ich«, sagte ich. »Der sich zugegebenermaßen dafür entschieden hat, das Machtspiel sein Leben lang von außen zu betrachten. Im Gegensatz zu seinen Vorfahren.«
    »Genau.« Larissa legte sich wieder hin. Sie gab sich alle Mühe, den plötzlich aufglühenden Funken der Uneinigkeit zwischen uns zu löschen. »Der Punkt ist nicht, dass Leon gestorben ist, Gideon – sondern dass er so gut gestorben ist wie nur irgend möglich.« Sie lächelte zärtlich. »Oder jedenfalls so typisch … «
    Ich lachte leise und traurig, zusammen mit ihr. »Er war wirklich ziemlich unglaublich. Selbst wenn ihm etwas Vergnügen bereitete, hatte er immer so was … Verächtliches an sich. Übrigens …« Ich drehte mich auf die Seite. Unsere Gesichter waren nur Zentimeter voneinander entfernt. »Hat jemand schon mal in Erfahrung bringen können, woher er kam? Ich habe ihn ein paar Mal gefragt, aber er ist immer ausgewichen.«
    »Mir hat er einmal eine Geschichte erzählt«, sagte Larissa. »Ich habe keine Ahnung, ob sie wahr ist. Damals war er gerade zu uns gestoßen, und ich glaube, er wollte mein Mitleid erregen, um mich zu verführen. Weiß Gott, Sex war das Einzige, was ihn überhaupt dazu bringen konnte, sich von dieser Seite zu zeigen. Er hat behauptet, seine Mutter sei eine sibirische Prostituierte aus Wladiwostok und sein Vater ein Manager einer englischen Telekommunikationsfirma, der sich damals gerade dort aufhielt. Die Mutter sei bei einem russischen Bombenangriff ums Leben gekommen. Danach habe ihn seine Großmutter auf der Flucht vor dem Krieg nach Indonesien mitgenommen. Um ihm seine Ausbildung zu bezahlen, habe sie dort in einem Ausbeuterbetrieb gearbeitet, der Mikrochips herstellte. Das habe sie schließlich umgebracht. Er habe angefangen zu stehlen und später zu fälschen, um seine Ausbildung abzuschließen.«
    Ich ließ mir die Geschichte durch den Kopf gehen. »Nun ja«, sagte ich leise, »das würde sein Benehmen zumindest einigermaßen erklären. Und wenn es nicht stimmt, ist er der Einzige, der es hätte erfinden können.«
    Gegen ihren eigenen Willen, glaube ich, konnte Larissa meinen Moment des Zweifels nicht vorübergehen lassen, ohne zu fragen: »Und ist das nun ein Problem für dich? Was wir jetzt tun müssen?«
    Ich überlegte eine ganze Weile gründlich. »Ich will nicht leugnen, dass ich Fragen habe«, sagte ich schließlich. »Aber eins weiß ich: Diese Situation ist zumindest teilweise unser Werk, also sollten wir sie auch bereinigen. Vielleicht hätten wir uns nicht einmischen sollen – aber es macht die Sache nicht besser, wenn wir jetzt sang- und klanglos verschwinden.«
    Larissa zog mich an sich. »Das stimmt.«
    Ich glaube nicht, dass meine hochtrabenden Worte sie vollständig beruhigten; mich beruhigten sie jedenfalls nicht. Aber das Gespräch war damit an einem toten Punkt angelangt, und deshalb war es eine gewisse Erlösung, als in diesem Augenblick Malcolms Stimme aus der Lautsprecheranlage ertönte und uns befahl, zu ihm nach vorn zu kommen. Wie es schien, hatten wir endlich eine Spur, die wir offenbar auch eilends verfolgten; als Larissa und ich endlich durch die Gänge zum Bug liefen, tauchte das Schiff bereits in rasantem Tempo zur Wasseroberfläche empor, und wir gesellten uns gerade noch rechtzeitig zum Rest des Teams (bis auf Julien, der noch in einem der Labors war), um zuzusehen, wie wir in den Himmel über der Meerenge schossen. Falls Malcolms Durchsage eine ermutigende Wirkung gehabt hatte, so verpuffte diese im selben Moment:
    Das Wasser direkt unter uns war voller amerikanischer Kriegsschiffe, die sofort das Feuer auf uns eröffneten. Es gelang den elektromagnetischen Feldern um unser Gefährt herum zwar, die Geschosse abzulenken oder in sicherer Entfernung detonieren zu lassen, aber das erklärte nicht, wieso uns die Kriegsschiffe überhaupt hatten orten können.
    »Sie lernen allmählich dazu«, sagte Slayton, der an der Steuerkonsole stand und das Schiff nervös durch den Geschosshagel lenkte. »Sie haben unser Kielwasser und alle Luftturbulenzen überwacht, die von unserer Auftauchstelle ausgingen. Dann haben sie einfach wild drauflos geschossen.«
    »Aber – laufen sie nicht Gefahr, einander zu treffen?«, fragte ich. »Oder andere, weiter entfernte Schiffe?«
    »Natürlich.« Malcolm

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