Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Täuschung

Die Täuschung

Titel: Die Täuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caleb Carr
Vom Netzwerk:
und auf ihren Posten zu bleiben. Slayton gab sich alle Mühe, die Drohnen als reine Überwachungsinstrumente abzutun, aber Larissa, Tarbell und ich kannten die finsteren Tatsachen und wussten, wie die Dinge standen. Zunächst einmal hätten die Drohnen jederzeit das Dach oder sogar das ganze Hotel zerstören können, je nach der Art ihrer Bewaffnung; noch schlimmer war jedoch, dass die Amerikaner nun möglicherweise diejenigen von uns identifiziert hatten, die von Malcolms Schiff stammten. Dies wiederum würde wahrscheinlich zu einer Fülle von Problemen führen, was die Flucht und die weitere Tarnung unseres Schiffes betraf, weil man alle neuen, anomalen Radardaten vermutlich uns zuordnen würde.
    So schlimm die Lage auch bereits war, sie sollte sich gleich noch erheblich verschlechtern. Die Drohnen gingen nicht sofort zum Angriff über, höchstwahrscheinlich weil die Leute, die sie lenkten, von den Geschehnissen auf dem Dach völlig verwirrt waren; aber ihr Auftauchen verschaffte Eshkol eine Gelegenheit, und die nutzte er mit der ganzen Erfahrung seines Trainings. Nachdem er sich von den fünf Männern losgerissen hatte, die dazu abgestellt waren, ihn an den Beton zu fesseln, erledigte er drei von ihnen mit einem Wirbelwind brutaler Schläge, Tritte und Stöße. Dann schnappte er sich eine Waffe von einem derjenigen, die er niedergeschlagen hatte, und pustete die anderen beiden damit sofort über den Rand des Daches. Aber Eshkol war bei weitem zu schlau, um zu glauben, dass er sich mit einer einzigen ganz normalen Schusswaffe aus dieser Situation retten konnte. Noch während er gefesselt war und gefoltert wurde, hatte er offenbar erahnt, dass die Waffe, die Larissa an der Hüfte trug, etwas sehr Ungewöhnliches war; und so überschüttete er uns mit einem Kugelhagel, der uns alle zwang, auseinander zu spritzen und in Deckung zu gehen, und stürzte sich auf sie. Geschickt gab er sich den Anschein, als wollte er ihr etwas zuleide tun, zog ihr aber stattdessen die Rail-Pistole aus dem Halfter und rollte sich dann bis zur anderen Seite des Daches, während Larissa, die sich auf einen Nahkampf eingestellt hatte, verdutzt und wie gelähmt zusah.
    Wir waren in Schwierigkeiten, obwohl in diesem Moment nur wir vier Besucher wussten, wie schlimm die Lage war. Die anderen sollten es jedoch auch gleich erfahren. Während die Drohnen über den Rand des Daches schossen wie Zuschauer bei einer Schlägerei, die sich darüber klar zu werden versuchten, für welche Seite – falls überhaupt – sie Partei ergreifen sollten, bewegte sich Eshkol zwischen den riesigen Trümmerstücken mit einer Behändigkeit, die selbst dann bemerkenswert gewesen wäre, wenn er nicht gerade stundenlange Folter erduldet hätte. Nachdem er uns das mehrere Minuten lang vorgeführt hatte, erwischte er schließlich einen unglücklichen, ungedeckten malaysischen Soldaten und feuerte die Rail-Pistole ab. Ich hatte bisher noch nie mit eigenen Augen gesehen, wie das Ding gegen einen Menschen eingesetzt wurde, und die Wirkung war einerseits stärker und andererseits weniger gewaltsam, als ich erwartet hatte. Der Körper des Soldaten verschwand einfach größtenteils, wie damals der von John Price; und die übrig gebliebenen ganzen Stücke, die sauber vom Rumpf abgetrennt worden waren, hatten etwas Prothesenhaftes, als hätten sie nie zu einem lebendigen menschlichen Körper gehört. Danach verlor General Said ungefähr die Hälfte seiner Männer, die in Panik gerieten und flüchteten, obwohl die wenigen, die blieben, angesichts des scheinbar sicheren Todes bewundernswerte Entschlossenheit zeigten. An Eshkols Aktivitäten wurde jedoch bald deutlich, dass er sich nicht im Geringsten für die Malaysier interessierte.
    Er verlangte lautstark seinen Rucksack und den Plutoniumbehälter; irgendwie hatte er bemerkt, dass Larissa und Tarbell beides aufs Dach gebracht hatten. Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen und eilte geduckt und mit einigen raschen Sprüngen zu Larissa, aber sie erklärte mir, dass Leon die tödlichen Gegenstände habe. Wo Leon sein mochte, schien jedoch weder sie noch sonst jemand zu wissen. Während General Said Eshkol zurief, der Rucksack und der Behälter befänden sich überhaupt nicht auf dem Dach – was seines Wissens ja der Wahrheit entsprach –, krochen Slayton, Larissa und ich so gut es ging umher und flüsterten eindringlich Tarbells Namen. Bei meinen Versuchen, Kontakt mit ihm aufzunehmen, hob ich meine Stimme aus lauter Verzweiflung

Weitere Kostenlose Bücher