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Die Tage sind gezählt

Die Tage sind gezählt

Titel: Die Tage sind gezählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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Teufel! Maurice Lafleur . Das war nun der dritte, der mit diesem Namen herumlief. Wer war doch gleich wieder der zweite gewesen? Ach ja, dieser Kerl, den er 1950 bestohlen hatte. Und nun dieser hier. Maurice stand auf und ging auf Zehenspitzen auf den anderen Lafleur zu. Er mußte es genauer wissen.
    »Nun … Sie hier, Herr Lafleur?«
    Der junge Mann drehte sich mit einem Ruck um und entspannte sich dann mit einem breiten Lächeln. »Wie Sie sehen, Herr Lafleur.«
    »Haben Sie etwas dagegen, wenn ich …?« fragte Maurice und setzte sich neben ihn.
    »Natürlich nicht«, sagte der andere, das Buch schließend. »Sie kennen also meinen Namen?«
    »Ich fragte die Stewardeß.«
    »Ein seltsamer Zufall, nicht wahr?«
    »Warum haben Sie vorhin Ihren Namen nicht genannt?«
    »Sie haben mich nicht danach gefragt.«
    »Nein«, lachte Maurice. »Meine Laune war, um es offen zu sagen, schlecht. Ich glaube, Sie haben ein Recht auf eine Entschuldigung.«
    »Sie waren etwas nervös, nicht wahr? Die bevorstehende Reise und all das …«
    »Eben«, sagte Maurice.
    »Ich nehme an, daß Maurice Lafleur ein Pseudonym ist?«
    »Nein. Mein wirklicher Name.«
    »Oh.«
    »Sicher. Sie … wohnen in Kanada?«
    »Ja. In Montreal.«
    »Früher«, sagte Maurice, einer plötzlichen Intuition folgend, »habe ich schon einmal die Bekanntschaft eines Maurice Lafleur gemacht. Das war 1950 in Kanada. Er wurde bestohlen. Sind Sie vielleicht mit ihm verwandt?«
    »Bestohlen? – Verwandt? Nicht, daß ich wüßte.«
    »Sie … wissen, weshalb ich nach Kanada reise?«
    »Aber Herr Lafleur, keine Idee! Es geht mich doch auch gar nichts an.«
    »Kennen Sie einen René Deschamps?«
    »René Deschamps? Ja, den kenne ich allerdings. Er war früher einmal ein guter Schriftsteller, aber man hat seit zwanzig Jahren nichts mehr von ihm gehört. Himmel, es ist sicher Jahre her, seit ich etwas von ihm las. Er schrieb ungefähr in Ihrem Stil.«
    Maurice lachte bitter. »Sicher. Sie wurden nicht von der Autorenrechtskommission geschickt?«
    »Autorenrechts …? Wie kommen Sie denn darauf?«
    Maurice gab auf.

    René Deschamps sah völlig anders aus, als Maurice ihn sich vorgestellt hatte. Er ging stramm auf die Fünfzig zu, war ein bißchen kahl, kahler als Maurice, trug keine Brille und machte einen freundlichen und zuvorkommenden Eindruck. Er wohnte in einer gemütlichen Villa außerhalb der Stadt Montreal und war verheiratet. Seine Frau, sagte er, sei im Moment nicht zu Hause.
    Deschamps ließ Maurice ohne Unterbrechung seine Beschwerden Vorbringen und nickte sogar gelegentlich, als würde er dessen Ausführungen voll zustimmen.
    »Ich glaube, ich muß mich entschuldigen«, sagte er, als Maurice fertig war.
    »Sie …«
    »Ja, sehen Sie, wenn Sie meine Werke nicht abgeschrieben haben, Herr Lafleur, muß ich ja wohl bei Ihnen gestohlen haben.«
    Maurice verschluckte sich und sah sein Gegenüber ziemlich belämmert an. Dann klingelte es. Und der junge Mann stand auf der Schwelle. Maurice verschluckte sich erneut.
    »Ich sehe, daß ich gerade richtig komme«, sagte der junge Mann, sah Maurice an und nickte ihm zu. »Guten Tag, Herr Lafleur.«
    »Tag«, stammelte Maurice.
    »Sie kennen einander?« fragte Deschamps.
    »Ja, ja«, stammelte Maurice.
    »Ja, ja«, lachte der junge Mann.
    »Aha«, meinte Deschamps. »Nun erinnere ich mich. Sie kommen, um nachzusehen, ob alles richtig verlaufen ist, nicht wahr?«
    »Genau.«
    »Nun, wie Sie sehen …«
    »Fein«, sagte der junge Mann. »Nun zur Sache, meine Herren. Ich verabschiede mich.«
    Deschamps schloß die Tür und wandte sich an Maurice. »Sie haben einander im Flugzeug getroffen, nehme ich an? Lieber Himmel, ich habe etwas vergessen!« Er öffnete rasch noch einmal die Tür, rief den jungen Mann zurück und flüsterte ein paar Worte mit ihm.
    »Ja, Herr Lafleur«, sagte Deschamps, als er wieder neben Maurice Platz nahm, »ich werde alt. Ich hätte beinahe etwas Wichtiges vergessen. Glücklicherweise hatte Ihr Namensvetter daran gedacht.«
    Natürlich verstand Maurice kein Wort.
    Deschamps lachte und führte aus: »Sie werden es noch schnell genug begreifen, mein lieber Maurice. Sie erlauben doch, daß ich Sie so nenne? Ich heiße René.«
    »O. K., René.«
    »Um bei der Sache zu bleiben … Also, ich war es, der Ihre Bücher geklaut hat. Aber glauben Sie mir, daß Sie sich darüber keine Sorgen mehr zu machen brauchen. Wenn es nun sein muß, werde ich Ihnen nichts weiter verschweigen.«
    »Aber … Wie … das

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