Die Tage sind gezählt
in einem Atomkrieg ankam? Oder wenn man ihn schnappte, während er die Bücher klaute? Nein, nein. Er hatte viel bessere Pläne mit seiner Zeitmaschine. Er trank sein Bier und stellte die Uhr auf den 16. März 1950 ein. Er lachte vergnügt.
Er würde das tun, was jeder andere vernünftige Mensch auch tun würde: Die Ursache dieses ganzen Rummels aufspüren. Bei wem? Bei Deschamps. Und wo? In Montreal. 1950. Und am 16. März. Dort würde er Deschamps, diesen Dieb, aufsuchen und sagen: »So nicht, Bürschlein. Du wirst nichts klauen!«
Er untersuchte vergnügt die kleine Alarmpistole, die er immer bei sich zu tragen pflegte. Sie würde nicht viel nützen, aber vielleicht die jüngere Ausgabe Deschampsʼ gehörig erschrecken. Daraufhin würde der ganze Schlamassel zum Erliegen kommen. Deschamps sollte seine Werke nicht bekommen. Und er, Maurice, würde von diesem Plagiatsvorwurf erlöst sein. Ganz einfach.
Er drückte den Knopf.
Maurice fühlte einen leichten Schwindel.
Dann nichts mehr. Er rieb sich die Augen. Das Cafe war immer noch dasselbe, nur saß er nicht in einem Plastikstuhl, sondern auf einem aus Holz. Und es stand kein Bier vor ihm. Und da waren wahrhaftig Frauen in Röcken! Der Wirt stand hinter der Theke und starrte ihn an wie einen Geist.
»Ja«, murmelte Maurice leise, »ich komme von 1970 …«
»Oh«, sagte der Wirt. Er schloß einige Male die Augen und schüttelte den Kopf. Dann verschwand er in einem Hinterzimmer, wo er, wie Maurice vermutete, erst einmal einige Tabletten gegen Delirium tremens aus seinem Medizinschränkchen nahm.
Maurice bestellte ein Glas Bier, lachte den Wirt freundlich an und sah sich neugierig um.
»He!«
Ihm gegenüber saß jemand, den er genau kannte! Ihm gegenüber? Es war gar kein Gegenüber. Maurice verschluckte sich und setzte scheppernd sein Glas ab. Er starrte in einen großen Spiegel.
Seine Haare sträubten sich. Er zwinkerte mit dem linken Auge. Der junge Mann im Spiegel mit dem rechten. Er grinste. Der junge Mann grinste zurück.
Die gesamten Anwesenden musterten ihn nun mit unverhohlener Neugier. Er sah sich um, sah die Blicke der anderen, grinste verlegen und schaute wieder in sein Glas.
Er war wieder der Maurice von 1950! Es gab keinen Zweifel! Er zupfte verliebt an seinem Schnurrbärtchen aus den alten Tagen, besah sich seine linke Hand. Die Narbe, die ihm 1964 ein Hund beigebracht hatte, existierte noch nicht.
Ein junges Mädchen kam herein. Maurice starrte sie bewundernd an. Sie trug eine große, ziemlich ausgebeulte Tasche, kam direkt auf ihn zu und nahm neben ihm Platz. Maurice wurde ziemlich verlegen. Er schielte zur Seite, und dann …
Das Haar! Diese Stupsnase!
»Ich habe die Karten für morgen abend, Schatz«, versicherte sie ihm.
Schatz!
Maurice verschluckte sich zum zweiten Mal, und diesmal dauerte es etwas länger, bis er sich von seinem Hustenanfall erholt hatte. Liliane!
Sie befanden sich auf ihrer Hochzeitsreise, er und Liliane, in Montreal, im Jahre 1950!
Er erzählte ihr nichts. Sie würde ihm sowieso nichts glauben. Wie durch ein Wunder erinnerte er sich nun an alle Details ihrer Hochzeitsreise, ihr Hotel, an die Nummer ihres Zimmers. Sie unterhielten sich gemütlich, aber Maurice ließ nichts durchblicken. In ihrem Hotel speisten sie zu Abend.
Aber … heute war der Sechzehnte! Heute würde Deschamps ins Jahr 1970 reisen, um seine, Maurices, Bücher zu stehlen! Er mußte auf der Stelle fort und ihn daran hindern. Aber wie?
Eine ganze Stunde lang suchte er nach einer plausiblen Ausrede, um sich davonschleichen zu können. Schließlich gab er es auf und ging einfach hinaus, ohne etwas zu sagen.
Zwei Stunden später war er zurück. Sie sprach nicht mit ihm, aber er war sowieso nicht anzusprechen. Er hatte die Villa Deschamps aufgesucht. Und … es gab diese Villa überhaupt nicht. Das Grundstück war unbebaut. Er hatte die Polizei nach der Adresse René Deschampsʼ gefragt. Das Resultat: Es gab gar keinen René Deschamps in Montreal …
Das machte ihn ganz schön fertig. Da Maurice in dieser Nacht sowieso keinen Schlaf fand, hörte er, wachliegend, den Dieb ins Zimmer kommen. Er sah eine dunkle Gestalt über das Fensterbrett klettern und dann lange Zeit stillstehen. Maurice griff vorsichtig nach der auf dem Nachttisch liegenden Taschenlampe und wartete. Der Dieb marschierte kurz entschlossen auf sein Jackett zu, das über einer Stuhllehne lag. Er fing an, Maurices Sachen zu durchwühlen.
Maurice knipste die Lampe an und
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