Die Target-Falle: Gefahren für unser Geld und unsere Kinder (German Edition)
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Eine Senkung der Lohnstückkosten erhöht die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes nur dann und in dem Maße, wie es seine Preise senkt, denn die Preissenkung ist das Pendant einer echten Abwertung, wie sie die Südländer früher regelmäßig durchgeführt hatten. Also sollte man lieber gleich auf die Preise schauen.
Abbildung 4.3 gibt einen Überblick über die Änderung der relativen Preise im Euroraum während der letzten Jahre. Dabei ist der Schnittpunkt der dort gezeigten Kurven auf den Beginn der Finanzkrise, Sommer 2007, gesetzt. Die Erkenntnis, die die Abbildung vermittelt, ist ernüchternd. Danach haben die Krisenländer mit Ausnahme Irlands ihre Preise seit dem Ausbruch der Krise noch weiter gegenüber ihren Wettbewerbern erhöht oder sie zumindest nicht gesenkt. Nach den Angaben des vorigen Abschnitts müssten Griechenland und Portugal ihren Preisindex von 100 Punkten auf 70 bis 60 Punkte senken, Spanien und Frankreich müssten auf 80 fallen und Italien immerhin noch auf 90 bis 85. Dafür, dass das in absehbarer Zeit passieren könnte, gibt es aufgrund der dargestellten Eurostat-Daten nicht die geringsten Anhaltspunkte. Die Wettbewerbsfähigkeit aller Krisenländer bis auf Irland verschlechterte sich in der Krise oder blieb auf gleichem Niveau, statt sich zu verbessern. Das Ergebnis passt so gar nicht zu den Erfolgsmeldungen, die über die Zeitungen verbreitet werden. Es stützt die in der Einführung zu diesem Buch dargelegte These vom Fass ohne Boden, nach der sich die Wettbewerbsfähigkeit der Krisenländer strukturell noch nicht erhöht hat.
Man muss allerdings beachten, dass Italien und Griechenland ihre indirekten Steuern in dieser Phase erhöht haben, was insofern nicht wettbewerbsschädlich ist, als die Exportwaren von diesen Steuern befreit sind. Im Falle Italiens erklärt das weniger als einen Prozentpunkt und im Falle Griechenlands maximal 3 Prozentpunkte. 6 Das impliziert aber immer noch nicht, dass die Nettopreise nach Abzug der indirekten Steuern gefallen sind.
Deutschland wurde vor 2007 relativ immer billiger. Das war die schon beschriebene reale Abwertung, immerhin 21 % von 1995 bis 2007. Nach dem Ausbruch der Krise konnte man bis 2009 noch hoffen, dass die reale Abwertung zum Stillstand gekommen ist und nun vielleicht eine Trendumkehr stattfindet. Indes ist das Gegenteil passiert. Trotz Krise inflationiert Deutschland immer noch weniger als seine Handelspartner, insbesondere auch weniger als alle Krisenländer außer Irland, selbst weniger als das von einer wachsenden Arbeitslosigkeit bedrohte Frankreich. Frankreich selbst entwickelt sich leicht oberhalb des Trends und macht nicht die geringsten Anstalten zu einer realen Abwertung, wie sie von Goldman Sachs als notwendig errechnet wurde. Hier schlummert ein Problem, an dem die Eurozone zerbrechen kann.
Abbildung 4.3: Die relativen Preise im Euroraum (realer effektiver Wechselkurs, 1. Quartal 2005 – 4. Quartal 2011)
Bemerkung: Die Abbildung zeigt die Originalwerte zu den realen effektiven Wechselkursen, wie sie von Eurostat veröffentlicht werden. Dabei handelt es sich in der Regel um den Quotienten aus dem Preisniveau der in einem Land produzierten Güter (BIP-Deflator) relativ zum handelsgewichteten Durchschnitt der Preisniveaus der Handelspartner dieses Landes oder auch, wenn das Preisniveau nicht verfügbar war, um ein Maß für das durchschnittliche Kostenniveau einer produzierten Gütereinheit.
Quelle: Europäische Kommission, Economic and Financial Affairs, Economic Databases and Indicators , Price and Cost Competitiveness, Quarterly Real Effective Exchange Rates vs (rest of) EA17, Price Deflator GDP, Market Prices.
Die fehlende Verbesserung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit impliziert leider auch, dass man eine strukturelle Verbesserung der Leistungsbilanzen der Krisenländer vorläufig nicht erwarten kann. Sicher, wie Abbildung 2.6 schon gezeigt hat, findet am aktuellen Rand des Geschehens für die Krisenländer insgesamt tatsächlich schon eine leichte Verbesserung der Leistungsbilanzsalden statt. Aber sie ist nicht struktureller Natur. Sie resultiert einerseits daraus, dass die Defizitländer in eine tiefe Wirtschaftskrise abglitten und wegen ihrer gefallenen Einkommen weniger importieren. Andererseits hat sie ihre Ursache darin, dass, wie noch gezeigt werden wird, die bisherigen privaten Kredite sukzessive durch Rettungskredite der EZB und der Staatengemeinschaft ersetzt wurden, die nur mit ganz geringen
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