Die Target-Falle: Gefahren für unser Geld und unsere Kinder (German Edition)
geflossen, sondern es kam netto zu einer Kapitalflucht. Das Ausmaß der Nettokapitalflucht seit dem Beginn des Jahres 2008 wird durch die entsprechend bezeichnete Klammer am rechten Bildrand gezeigt. (In Abbildung 6.1 sind also tatsächlich die grünen Pfeile weggeblieben und die roten entstanden.) Die öffentlichen Rettungsgelder haben das gesamte Leistungsbilanzdefizit der Krisenländer finanziert, das in den betrachteten viereinhalb Jahren bis Ende Juli 2012 etwa 680 Milliarden Euro betragen haben dürfte, und außerdem noch im Umfang von (geschätzt) etwa 513 Milliarden Euro Ersatz für das fliehende Kapital geleistet.
Die obere rote Kurve in der Abbildung zeigt die Nettoauslandsschuld der Krisenländer. Ende März lag sie bei 1,904 Billionen Euro. Die Target-Schulden und die Schulden aus den intergouvernementalen Hilfen machten hiervon ca. 52 % aus.
Die restlichen 48 % sind in der Abbildung als sonstige Nettoauslandsschulden bezeichnet. Das sind Kredite, die staatlichen oder privaten Stellen in den GIIPSZ-Ländern von ausländischen privaten Anlegern und Institutionen gewährt wurden. Darin enthalten sind rechnerisch auch die von anderen Notenbanken erworbenen Staatspapiere der GIIPSZ-Länder, die in der Abbildung durch die hellgrüne Fläche dargestellt sind (vgl. Abbildung 5.1 ). Am aktuellen Rand ist dies ein Betrag in Höhe von 133 Milliarden Euro. Hierbei handelt es sich, wie schon in Kapitel 5 erläutert wurde, ebenfalls um öffentliche Hilfskredite anderer Staaten zugunsten der GIIPSZ-Länder, und insofern ist letztlich von der ökonomischen Wirkung her gesehen kein wirklicher Unterschied zu offenen intergouvernementalen Hilfskrediten vorhanden. Allerdings kaufen die nationalen Notenbanken die ausländischen Staatspapiere niemals im Ausland, da sie nur mit den inländischen Banken Geschäftsbeziehungen unterhalten. Internationale Zahlungsströme können durch diese Käufe deshalb nur indirekt ausgelöst werden, nämlich in dem Sinne, dass zum Beispiel die Bundesbank griechische Staatspapiere von deutschen Banken kauft, die ihrerseits Staatspapiere in Griechenland nachkaufen. Das ist dann formal ein von privaten ausländischen Anlegern finanzierter Kapitalimport Griechenlands, obwohl er durch die Aktion einer staatlichen Instanz, eben der Bundesbank, ermöglicht und ausgelöst wurde.
Rechnet man den Teil der sonstigen Nettoauslandsschulden, der durch den Erwerb der Staatspapiere der Krisenländer durch die Notenbanken anderer Länder zustande kam, noch zu den Target-Hilfen und den intergouvernementalen Hilfen hinzu, dann zeigt sich, dass mittlerweile bereits 60 % der Nettoauslandsschulden der Krisenländer bei den restlichen Staaten des Euroraums einschließlich ihrer Notenbanken liegen.
Insgesamt bestätigt die Abbildung die überragende Bedeutung der Target-Kredite bei der Hilfe für die bedrängten Länder. Die Target-Salden sind in der Öffentlichkeit und im Bundestag am wenigsten bekannt, und doch haben sie quantitativ die bei Weitem größte Bedeutung. Sie sind wahrscheinlich der Grund dafür, dass das eine oder andere Krisenland, das eigentlich besser außerhalb des Euro mit einer abgewerteten Währung zurechtkäme, sich so intensiv an den Euro klammert. Den automatischen Überziehungskredit zu weniger als einem Prozent Zins für den Erwerb von Waren in Deutschland und anderswo bietet die eigene Währung natürlich nicht.
WARUM GRIECHENLAND UND PORTUGAL AM EURO HÄNGEN
Die gleiche Analyse wie für die GIIPSZ-Länder in ihrer Gesamtheit kann man auch für die einzelnen Länder durchführen. Beginnen wir mit Griechenland und Portugal, den beiden Ländern, die nach der Analyse des Kapitels 4 am weitesten vom Zustand der Wettbewerbsfähigkeit entfernt sind, was die nötige reale Abwertung betrifft. Nach der dort zitierten Rechnung von Goldman Sachs muss Portugal um 35 % und Griechenland um 30 % abwerten, um den Schuldendienst leisten zu können (vgl. Tabelle 4.1 ). An gleicher Stelle wurden die OECD-Daten zur Kaufkraftparität zitiert, nach denen Griechenland um 39 % und Portugal um 32 % abwerten müsste, um das gleiche Preisniveau wie die Türkei zu erreichen. Leider gibt es, wie in Abbildung 4.3 gezeigt wurde, auf der Basis der Eurostat-Zahlen zur Preisentwicklung bislang keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass eine solche reale Abwertung schon begonnen hat. Beide Länder hatten bereits vor dem Ausbruch der Krise riesige Leistungsbilanzdefizite. Griechenland lag 2007 bei 14,6 % des BIP
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