Die Target-Falle: Gefahren für unser Geld und unsere Kinder (German Edition)
und Vermögenswerte in Deutschland auf Pump zu besorgen, indem man einfach nur bei der Bundesbank anschreiben lässt, erzeugt eine verhängnisvolle Pfadabhängigkeit der Politik, die in jeder Krise zu neuen Konzessionen gegenüber den Krisenländern zwingt. »Entweder ihr haftet für uns, damit unsere Zinsen fallen, oder wir nehmen die goldene Kreditkarte und ziehen uns das Geld aus den Kassenautomaten, die ja bei unseren nationalen Notenbanken herumstehen«, so lautet die implizite Devise der Staatschefs der Krisenländer und der Vertreter dieser Länder im EZB-Rat.
Bei den Beratungen zum Rettungsschirm ESM im Bundestag im Frühjahr 2012, aber auch schon bei den Diskussionen dazu, die während des ganzen Jahres 2011 stattfanden, stand die Furcht vor EZB-Aktionen immer im Raum. Es ging darum, die Rettungsaufgabe vonder EZB auf ein intergouvernementales Gremium zu übertragen, bei dem man sich zumindest eine Sperrminorität und die proportionale Vertretung im Gouverneursrat nach der Ländergröße hat zusichern lassen. Dass es besser sei, diesem Gremium die Entscheidung über Kredite zu überlassen anstatt der EZB, leuchtete jedem ein. 4 Es ging damals nicht um die Target-Kredite. Dieses Thema war damals im Bundestag, anders als heute, noch nicht angekommen. Vielmehr ging es um die Staatspapierkäufe der EZB, die in der zweiten Hälfte des Jahres 2011 von 74 Milliarden Euro auf 212 Milliarden Euro hochgeschossen waren. In der Tat hörte die EZB dann zum Jahresende mit den Käufen auf, weil absehbar war, dass die Regierungen auf dem Gipfel von Brüssel am 2. Februar 2012 einen permanenten Rettungsschirm (den ESM) beschließen würden. Es ist aber bezeichnend, dass im Sommer 2012, als der ESM-Vertrag von den meisten Ländern ratifiziert war, der EZB-Rat eine Wiederaufnahme der Staatspapierkäufe in noch viel größerem Umfang als vorher beschloss.
Dieser Prozess der zwanghaften fiskalischen Integration der Eurozone folgt seinen eigenen politischen Gesetzen und ist mittlerweile von den Volksvertretern kaum noch steuerbar, weil sie der Pfadabhängigkeit der Politik nicht entkommen können. Zu jedem Zeitpunkt muss man die bis dahin schon getroffenen politischen Beschlüsse und vor allem ihre finanziellen Auswirkungen als gegeben annehmen und überlegen, wie es weitergehen soll. Da man immer die Wahl zwischen dem akuten Konflikt, wenn nicht Crash, auf der einen Seite und dem Zeitgewinn durch die Erhöhung der Rettungskredite auf der anderen Seite hat, entscheidet man sich für die Erhöhung der Rettungskredite. Immer ist die Entscheidung alternativlos, weil immer wieder Krise ist, wenn man aufhört zu zahlen. So geht es weiter und weiter, bis zum Schluss der ganz große Crash nicht mehr vermeidbar ist, weil auch die Retter ihre Bonität und das Vertrauen der Kapitalmärkte verlieren.
Die Pfadabhängigkeit begann schon damit, dass der Euro eingeführt wurde, denn das implizite Schutzversprechen, das in der Existenz einer gemeinsamen Zentralbank lag, insbesondere auch die Möglichkeit, etwaige Liquiditätsprobleme mit der nationalen Notenpresse zu beheben, hat das Anlagekapital von den internationalen Kapitalmärkten in die peripheren Länder getrieben und dortüber eine Zinskonvergenz die inflationären Kreditblasen erzeugt, die später platzten. Nach dem Platzen sah sich die EZB gefordert, die Notenpresse zum Ersatz für das wegbleibende private Kapital anzuwerfen. Das schien damals auch für die Vertreter der Bundesbank im EZB-Rat alternativlos zu sein.
Als die Notenpresse danach aber nicht zum Stillstand kam, weil die Leistungsbilanzdefizite Jahr um Jahr gestopft werden mussten und im Falle Irlands auch noch eine riesige Kapitalflucht zu kompensieren war, wuchsen bei der EZB Bedenken, ob sie diese Politik beliebig lange würde durchhalten können. Da die Bilanzen ihrer Mitgliedsnotenbanken immer mehr in Unordnung gerieten, hat die EZB die Länder der Eurozone bedrängt, einen temporären Rettungsfonds als Entsatz zur eigenen Entlastung aufzustellen. Ein solcher Fonds wurde unter dem Namen European Financial Stability Facility (EFSF) dann auch in Luxemburg gegründet.
Die Diskussion um den Rettungsfonds begann schon im Winter 2009/2010, und sie gewann im Frühjahr 2010 an Intensität. Notenbankpräsident Trichet bedrängte die Regierungen Europas zunächst, ein Programm zur Rettung Griechenlands aufzulegen, und verlangte dann ein umfangreicheres Dauerprogramm. Deutschland sträubte sich über viele Monate, wohl
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