Die Target-Falle: Gefahren für unser Geld und unsere Kinder (German Edition)
da eine gesamtschuldnerische Haftung nach allgemeiner Interpretation des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom September 2011 nicht mit dem Grundgesetz kompatibel wäre. 17 Bei einer anteiligen Haftung muss sich der Zins der Eurobonds auf dem Niveau des gewogenen Durchschnitts der Staatspapiere der einzelnen Euroländer bewegen, denn wäre er niedriger, könnte jeder private Fonds selbst aus den Staatspapieren der Euroländer einen Eurofonds konstruieren, der exakt dieselbe Risikocharakteristik wie die echten Eurobonds hat, aber höhere Zinsen bietet und insofern von den Marktparteien vorgezogen würde.
Bei einer gesamtschuldnerischen Haftung wäre der Zins, zu dem sich die Länder der Eurozone verschulden könnten, natürlich niedriger, denn die Anleger hätten mehr Sicherheit, dass sie ihr Geld zurückbekommen. Freilich wäre dies nur ein scheinbarer Vorteil für die Schuldner, denn es würde ja die Wahrscheinlichkeit steigen, dass man nicht nur für seinen eigenen Kredit, sondern auch für den Kredit anderer Länder zahlen muss. Insbesondere für die solideren Länder könnte sich der vermeintliche Vorteil niedrigerer Zinsen wegen der wesentlich höheren Rückzahlungslasten bei einem Konkurs der schwächeren Länder als riesiger Nachteil herausstellen.
BLAUE UND ROTE SCHULDEN
Vielfach herrscht die Vorstellung vor, man könne die gemeinschaftliche Haftung auf die neuen Schulden eines Landes beschränken. Da die Altschulden nicht sozialisiert würden, sei das Ausmaß der Belastung der solideren Länder mit höheren Zinsen vorläufig nur gering. 18 Dieses Argument verkennt indes, dass auch die alten Schulden sehr schnell zu neuen Schulden werden, weil ihre Laufzeit begrenzt ist und man sie stets mit dem Geld aus neuen Schulden tilgt. In Tabelle 10.1 wurde schon gezeigt, dass derzeit bei den GIIPSZ-Ländern pro Jahr Altschulden von etwa 600 Milliarden Euro zu ersetzen sind, was etwa einem Fünftel bis Sechstel der vorhandenen Staatsschulden in Höhe von etwa 3,4 Billionen Euro entspricht. Die Neuverschuldung pro Jahr liegt demgegenüber nur bei gut 100 Milliarden Euro. Eurobonds würden deshalb in erster Linie dem raschen Ersatz der Altschulden dienen. Schon nach einem halbenJahrzehnt würde der Löwenanteil der ausstehenden Staatspapiere eines Landes aus Eurobonds bestehen.
Dennoch ist die Vorstellung einer Beschränkung der Eurobonds populär, um die Lasten für die solideren Länder zu begrenzen. Viel diskutiert wurde ein Vorschlag des Brüsseler Wirtschaftsforschungsinstituts Bruegel, der auf der Unterscheidung zwischen blauen und roten Anleihen basiert. 19 Blaue Anleihen sind Eurobonds. Ein jedes Land darf sie bis zu 60 % seines BIP ausgeben. Rote Anleihen sind Anleihen für darüber hinausgehende Staatsschulden. Für sie muss das Land selbst haften. Konkret darf sich ein Land nach Einführung des Bruegel-Systems so lange mithilfe von Eurobonds verschulden, bis das 60 %-Kontingent für die blauen Anleihen erschöpft ist. Will es sich danach noch weiter verschulden, muss es auf die roten Anleihen umsteigen, die sehr viel mehr Zinskosten verursachen. Die höheren Zinskosten würden einen Anreiz bieten, die Zusatzschulden rasch abzubauen. Insofern lassen sich nach Meinung der Autoren zwei Vorteile vereinen. Zum einen können die Zinskosten der Staaten durch die blauen Anleihen gesenkt werden, zum anderen setzen die roten Anleihen hohe Anreize zum Schuldenabbau.
Die Schuldenländer mögen den Vorschlag, denn die Belohnung kommt vor der Anstrengung. Der Kreditnehmer darf sich erst einmal eine Weile mithilfe der blauen, zinsverbilligten Anleihen verschulden und muss erst später, wenn das Kontingent erschöpft ist, auf die roten umsteigen. Die Autoren hätten den Vorschlag natürlich auch umgekehrt machen können, aber dann hätten sie sicherlich nicht so viel Applaus in Brüssel dafür bekommen.
Man kann sich lebhaft vorstellen, was passiert, wenn bei hoch verschuldeten Ländern wie Italien oder Griechenland die rote Phase beginnt. Dann wird sich ein riesiger politischer Druck aufbauen, nun die 60 %-Grenze hinauszuschieben oder ganz aufzuheben. Es ist kaum vorstellbar, dass die Länder auf die blauen Anleihen verzichten, wenn sie sich mit ihrer Hilfe erst einmal für ein paar Jahre haben günstig verschulden dürfen und sich an die niedrigen Zinsen gewöhnt haben.
Dass man bereit wäre, nach der Erschöpfung des Kontingents der blauen Anleihen wieder auf die roten Anleihen umzusteigen, ist
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