Die Target-Falle: Gefahren für unser Geld und unsere Kinder (German Edition)
der die Ineffizienz nicht weiter finanzieren will: die EZB mit ihren Target-Krediten und Staatspapierkäufen und die Staaten mit den intergouvernementalen Rettungsschirmen. Dabei ist der Target-Kredit, den die Notenbanken der Krisenländer aus ihrer Druckerpresse gezogen haben, der bei Weitem größte Posten von allen. Beim Redaktionsschluss für dieses Manuskript (August 2012) war er mit etwa einer Billion Euro ungefähr viermal so groß wie die offiziellen Rettungskredite, über die die Parlamente entschieden haben (vgl. Abbildung 9.1 ): ein Rettungsschirm über dem Rettungsschirm, der alles dominiert, doch ohne die Beteiligung der Parlamente vom EZB-Rat, dem Hegemon der Eurozone, beschlossen und toleriert wurde.
Alles Geld, das heute in der Eurozone zirkuliert, ist ursprünglich durch Kredite und Wertpapierkäufe der Notenbanken in Griechenland, Irland, Italien, Portugal und Spanien entstanden und dann als Außengeld durch den Kauf von Gütern, die Schuldentilgung und den Erwerb von Vermögensobjekten in die anderen Euroländer gewandert. In den Krisenländern wurde sogar um etwa ein Viertel mehr Zentralbankgeld geschaffen, als in der Eurozone insgesamt in Umlauf ist. Die Notenbanken des Nordens müssen pausenlos (elektronisch) schreddern, um den Geldüberschuss durch eigene Kreditaufnahme vom Markt wieder abzusaugen und zu vernichten. Bereits im Februar 2012 wurde die Schallmauer einer vollständigen Verdrängung des außerhalb der Krisenländer geschaffenen Geldes durchbrochen (vgl. Abbildung 7.2 ). 1 Seitdem rast die Eurozone mit Überschall dahin.
Der Prozess findet kein Ende. Im Süden laufen die elektronischen Notenpressen heiß, man kauft sich im Norden, was einem beliebt, und die Notenbanken des Nordens saugen das Geld im Austausch gegen weitere Target-Forderungen wieder auf. So geht es immer weiter, bis irgendwem irgendwann einmal der Kragen platzt.
Ökonomisch bedeuten die Hilfen der EZB und der Staatengemeinschaft, dass dem störrischen Sparkapital der nördlichen Länder öffentlicher Geleitschutz gewährt wird, damit es doch wieder in den Süden gehe, wo es eigentlich nicht hinwill. Das dämpft die Rezession im Süden, und es verhindert die Anpassung der relativen Preise.
Weil er die falschen Preise aufrechterhält, perpetuiert der Geleitschutz freilich die Leistungsbilanzdefizite, was im Gegensatz zu den öffentlichen Beteuerungen steht, man wolle sie durch Reformen verringern. Man kann eben nicht gleichzeitig dafür sorgen, dass das Kapital wieder in den Süden fließt und die Leistungsbilanzdefizite fallen, weil eben Leistungsbilanzdefizite und Kapitalimporte zwei Seiten der gleichen Medaille sind (Kapitel 2, Abschnitt Der europäische Tango: Fehlinterpretation der Leistungsbilanzsalden ). Ob die EZBden Kapitalimport über die Target-Salden organisiert, ob sie ihn anregt, indem sie die Notenbanken der Kernländer zwingt, die Staatspapiere der südlichen Länder zu kaufen, oder ob die Regierungen ihn über den Luxemburger Rettungsfonds ESM organisieren: All dieser öffentliche oder öffentlich induzierte Kapitalstrom in die südlichen Länder ermöglicht und verlängert die Leistungsbilanzdefizite dieser Länder, denn soweit er nicht die Kapitalflucht ersetzt, ist er ihnen ja schon definitorisch gleich.
Im Süden mag man den Weg über den öffentlichen Geleitschutz derweil für die beste Zwischenlösung halten, weil erst einmal alles so weitergehen kann wie bislang. Man muss die Gehälter der Staatsbediensteten und die Sozialleistungen nur ein bisschen kürzen, und man muss nicht mit den Gewerkschaften über eine Lockerung des Kündigungsschutzes streiten. Für Deutschland droht dieser Weg aber zur Katastrophe zu werden, weil dabei das Auslandsvermögen der Deutschen und vielleicht noch viel mehr als das verspielt wird. Über 700 Milliarden Euro deutscher Ersparnisse sind, wie in Kapitel 8 (Abschnitt Deutschlands Exportrechnung auf dem Bierdeckel ) schon gezeigt wurde, inzwischen in Target-Forderungen der Bundesbank verwandelt worden. Das sind zwei Drittel des gesamten Nettoauslandsvermögens, das die Deutschen in ihrer Geschichte durch Exportüberschüsse erarbeitet haben, bald halb so viel, wie die deutsche Vereinigung gekostet hat. Die Ersparnisse der Bürger, die dahinterstehen, haben die Banken bei der Bundesbank angelegt oder zur Verringerung der Refinanzierungskredite benutzt, weil sie mit den Konditionen, zu denen sich die Banken der Südländer das Geld aus dem Kassenautomaten der
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