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Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Titel: Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marisa Brand
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Bei flirrender Hitze quälte einen bald der Durst, an jedem Tümpel füllten sie Kürbisflasche und Wasserschlauch auf. Die Sonne stach in Sidonias Nacken, während sie die nackte Landschaft durchjagten. Kornfelder dehnten sich bis zum Horizont, auf einigen dorrten bereits Getreidestoppeln. Alles Senkrechte wirkte riesenhaft vor dieser Kulisse; Kirchtürme, vereinzelte Tafelberge mit erdfarbenen Burgen und Dörfern.
    Die Landschaft war zu Beginn des Erntemonats September mit Staub überzogen. Regungslos hing hie und da ein Falke am Himmel, um wie ein Stein auf eine Feldmaus oder anderes Kleingetier hinabzustoßen. Gelegentlich begegneten sie Pilgern, Kaufleuten und Schafhirten, die ihre Herden quer zum Jakobsweg vom Süden zu den grünen Weiden im Norden trieben. Ein jeder grüßte den anderen auf diesem Weg mit einem Pilgerruf: dem einfachen »Buen Camino« oder dem uralten Refrain eines Pilgerliedes: »E ultreia, e suseia« – »Weiter und voran«.
    Es brauchte mehr geistiges Durchhaltevermögen als Mut, um die Ödnis zu passieren. Sidonia staunte über das Einverständnis unter den Reisenden und die Gesichter vieler Pilger. Darin mischten sich Erschöpfung, Entrückung und Hoffnung. Hoffnung auf was? Wenn die Pilger auf diesem Weg Gott fanden, so galt für sie das Gegenteil. Die Nacktheit der Landschaft schien ihr ein Abbild der eigenen Trostlosigkeit. Die Legenden, die längs des Weges in Kapellen und Kirchen auf Bildern erzählt wurden, handelten von Heilung oder wundersamen Erweckungen von den Toten. Es waren dürre Märchen.
    »Was soll an diesem Weg Wunderbares sein?«, fragte sie Fadrique mürrisch, während sie nebeneinander ritten.
    »Die Spanier sagen: Es gibt keine Wege, Wege entstehen im Gehen. Genau wie die Wunder dieser Pilgerroute«, sagte Padre Fadrique.
    »Das verstehe ich nicht.«
    »Das Wunder liegt in den vielen tausend Menschen, die hier bereits gegangen sind. Menschen aller Länder und nicht nur Christen. Viele Religionen kannten diesen Weg ans Ende der Welt als einen Weg der Reinigung und Wandlung. Sie kamen mit all ihren Sorgen, Wünschen und Hoffnungen. Spürst du nicht die Kraft, die einem hier zuwächst? Die Kraft ihrer Seelen? Jeder Stein ist davon durchdrungen, das ist ein Wunder!«
    Sidonia spürte nichts von alledem. Es war, als ließe diese Wüste, die kaum Ablenkung bot, ihr Inneres versteinern. Gabriel Zimenes war und blieb tot, genau wie ihr Herz. Fadrique hatte Unrecht, die Liebe offenbarte einem nicht das Leben oder eine Ahnung von Ewigkeit, sondern nur Schmerz und die eigene Verwundbarkeit. Der Padre glaubte nicht an Gott, sondern an Märchen, genau wie die Gotteswanderer, denen sie hier begegneten. Ihr waren die Bußpilger, die mit rostenden Fußketten wanderten, weil sie dazu verurteilt worden waren, oder solche, die im Zeichen der Muschel nur das Bettelprivileg ausnutzten, lieber als die Verzückten. In einer Welt des Betrugs waren die Halunken die aufrichtigsten Leute, dachte sie bitter.
    Was sie allerdings genoß, war das schnelle Vorankommen. Die alte Sidonia, jenes Mädchen, das in Köln gestorben war, hätte ihre Freude daran gehabt, so dahinzustürmen. Der neuen Sidonia fehlte ein Ziel. In einem hatte Fadrique Recht: Lunetta zu retten war nur ein Vorwand für ihre Eile. Selbst an ihren Vater und den armen Lambert dachte sie nur selten. In Wahrheit ritt sie vor ihren kindlichen Träumen von Liebe und Glück davon.
    »Die Meseta«, sagte Fadrique, als sie eines Mittags in einem dürren Steineichenwald rasteten, »inspiriert viele zur Tat. Columbus holte von hier die Männer für seine Fahrt in die Neue Welt. Keine Seefahrer, Schafhirten! Die Menschen dieser Gegend wollen voran, anstatt Einkehr zu halten.« Er seufzte. »Sie suchen die Schätze der Welt, dabei ...«
    Sidonia schaute ungeduldig auf, sie wollte nicht über Fragen der Seele diskutieren. »Wir müssen so schnell wie möglich das Geld finden und nach Santiago.«
    »Ist das alles, was dich seit Tagen so beschäftigt, dass du kaum ein Wort sagst?«
    »Ich spare meinen Atem für den Weg.«
    »Dir fehlt nicht der Atem, sondern der Glaube.«
    »Ich will von Gott nichts mehr hören.«
    »Dir fehlt der Glaube an dich selbst. Die Welt verliert ihren Zauber, wenn wir unsere Gefühle verleugnen.«
    »Diese Wüste hier hat keinen Zauber. Es ist eine tote Landschaft.«
    »Sie bietet Raum, seine Gedanken schweifen zu lassen. Kreisen die deinen um den Tod?«
    Ungeduldig erhob sich Sidonia und schüttelte den Staub aus

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