Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition)
gelegentlich. Tavera wunderte sich über das Einvernehmen, das zwischen ihnen herrschte. Corriano ging seinem Schöpfer alles andere als willig entgegen. Bis zuletzt hatte er in seinen Werkstätten gearbeitet, eine Gnade, die Tavera für ihn ausgehandelt hatte. Der Rauch der anderen Scheiterhaufen wurde dichter und verhüllte die beiden.
»Und wo ist das Mädchen, für das der Padre in den Tod geht?«, fragte Tavera hustend.
»Sie wird nächsten Sonntag brennen!«
Schwankend erhob sich Tavera von seinem Stuhl: »Du Teufel, du gabst Fadrique dein Wort, das Mädchen zu schonen!«
Aleander lächelte. »Teufel? Ich hoffe doch sehr, dass Euer erzbischöfliche Gnaden daran glauben, dass Gott die Geschicke unserer Welt lenkt.«
»Kann es sein, dass du selbst dich für Gott hältst?« Die Notizen seiner Spitzel legten den Verdacht nahe.
Aleander hob die Brauen. »Ich halte mich für Gottes unbestechlichsten Vertreter auf Erden. Ich leide nicht an der Krankheit des Mitleids wie Fadrique. Ketzer müssen brennen – ohne Ausnahme. Und nun setzt Euch, oder wollt Ihr Fadriques letzten Gang versäumen?«
Tavera bemerkte, dass sich Stille über den Platz senkte. Sogar der Henker hielt in seinen Verrichtungen inne. Corriano gewann eine letzte Galgenfrist. Sein Beichtvater war verschwunden. Hätte er den armen Mann nicht bis auf den Scheiterhaufen begleiten können? Wieder erklang das Rollen von Karrenrädern, begleitet vom Knacken und Krachen der brennenden Scheiterhaufen. Der Karren, auf dem Padre Fadrique stand, war rot bemalt und mit Höllenflammen verziert.
Zu seinem Ärger bemerkte Aleander unter den Zuschauern einige Toren, die sich die Mützen vom Kopf rissen und das Haupt senkten. Er wies Soldaten der Hermandad an, diese Idioten mit Stockhieben abzustrafen. Als ein altes Weib einen Psalm anstimmte und mehrere Zuschauer in den Gesang einfielen, war seine Geduld erschöpft.
»Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen« , klang es zaghaft über den Platz. Eingeweihte und Uneingeweihte sangen den Erkennungspsalm der Ketzer und drängten sich um Fadriques Wagen. Zu allem Überfluss begannen in diesem Moment die Glocken der Kathedrale zu läuten. Ein Effekt, den Aleander eingeplant hatte. Allerdings sollte er das Anzünden von Fadriques Scheiterhaufen begleiten.
»Verhaftet die Störenfriede. Ich will keine Psalmen«, schrie Aleander von der Bühne hinab. »Keine Psalmen für diesen Erzketzer!«
Immer mehr Soldaten mischten sich unter das Volk und hieben Betende und Singende auseinander. Fadriques Karren wurde zum Stehen gebracht. Unter die obligatorischen Tomaten, die gegen die Karrenwände klatschten, mischten sich Nelken, die Blume Mariens und das Symbol der göttlichen Liebe. Ein ganzer Blumenregen ging auf den Padre nieder.
Aleander erhob sich. Unter den Zuschauern brach immer mehr Unruhe aus. Ein Ruf erscholl.
»¡Viva el eremito de sangre!«
Tavera richtete sich entzückt in seinem Stuhl auf. »Man feiert ihn!«
»Nicht mehr lange«, fluchte Aleander. Er stieg von der Tribüne hinab und sah sich nach Soldaten um, die nach den Viva-Rufer suchten und sie niederprügelten. Der Tumult war so groß, dass er das Getöse der Flammen übertönte. Und das harte Klappern galoppierender Hufe. Erst als zwei Pferde bis an Fadriques Karren herangaloppiert waren, bemerkte der Henker den Zwischenfall. Die Reiter waren vermummt.
»Ein Wunder«, murmelte Bischof Tavera auf der Tribüne. »Ein Wunder – oder Männer des Kaisers?«
Mit entschlossenen Hieben trieb einer der Reiter die Mönche, die Fadriques Karren umstanden, auseinander. Er trug nicht die Rüstung der Heiligen Bruderschaft oder die des Kaisers, sondern einen einfachen Pilgermantel. Der zweite Reiter, ebenfalls im Jakobsmantel, zerteilte eilig die Stricke, mit denen Fadrique an den Karren gebunden war. Dann streckte er eine Hand vor, die der Padre ergriff. Sein Befreier zerrte den alten Mann über die Karrenwand. Behände schwang sich Fadrique hinter ihm in den Sattel. Die beiden Reiter wendeten ihre Pferde, hieben ihnen die Fersen in die Flanken und sprengten davon. Fort von der Kathedrale und auf die Rua do Franco zu. Zuschauer sprangen zur Seite, um den funkenschlagenden Hufen der Pferde zu entkommen. Andere bildeten den Flüchtenden eine Gasse, die sie zur Rua do Franco leitete.
Doch als sie sie erreichten, mussten sie ihre Pferde zügeln. Die Gasse war flink mit Ketten versperrt worden. Der Reiter, hinter dem Fadrique saß, sah sich gehetzt um. Jeder auf dem
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