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Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Titel: Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marisa Brand
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»Du bist nicht wie Fadrique! Sieh mir ins Gesicht, Gabriel Zimenes, und sag mir, dass du mich nicht liebst! Sag es mir, dann werde ich Santiago auf immer verlassen.«
    Sie zwang Zimenes, sich zu ihr umzudrehen. Gabriel schaute auf sie hinab. Sie nahm seine Hand und legte sie an ihre Wange.
    »Weißt du noch, wie du immer mit den Fingern darüberstrichst, um mich zu ärgern? Wie du deinen Arm um mich gelegt hast, um mich in Wut zu versetzen? All deine Andeutungen über meine ungehörige Lust? Schau mich an, Gabriel. Du hattest die ganze Zeit Recht. Es gibt niemanden, den ich je mehr begehrt habe als dich.«
    »Außer deinen Ritter. Für ihn bist du nach Spanien gereist und ...«
    Sidonia schüttelte heftig den Kopf. »Das war ein dummer Mädchentraum. Jetzt bin ich eine Frau. Ich ziehe die Wirklichkeit meinen Fantasien vor.«
    Gabriel lächelte wieder, es war ein schmerzvolles Lächeln. »Die Wirklichkeit verlangt von dir, dass du nach Köln zurückkehrst, zu deiner Familie und zu einem anderen Mann als mir. Alles andere wäre ein Irrtum.«
    Sidonia wich totenbleich zurück. »Ein anderer Mann? Das kann ich nicht. Gabriel, sag mir ins Gesicht, dass du mich nicht liebst. Sag mir, dass Gott sich geirrt hat, als er uns beide zusammenführte. Sag es!«
    Gabriels Blick verdunkelte sich.
    »He, du bist ein Mönch, du musst die Wahrheit sagen!«
    »Das kann ich nicht. Niemand kennt Gottes Plan.«
    »Du willst es nicht! Gib es zu. Du liebst mich, wie ich dich liebe. Sag es.«
    Schroff drehte Zimenes ihr den Rücken zu. Er ging zur Tür und öffnete sie. Draußen wartete Goswin.
    »Gabriel, bleib, das kann nicht unser Abschied sein!«
    Zimenes drehte sich um, während die Glocke von Santa Maria Bartolomé die zwölfte Stunde schlug.
    »Goswin sagt, du habest Nachrichten aus Köln empfangen.«
    Verwirrt schaute Sidonia ihn an.
    »Lies die Briefe Doña Rosalias! Darin wirst du die Antwort auf die Frage finden, was Gott von dir und mir will! Auf dich wartet ein gutes Leben. Goswin wird dich aus Santiago fortbringen.« Er öffnete das Kirchenportal.
    »Wohin gehst du?«, rief Sidonia verzweifelt.
    »Bevor ich in die Neue Welt aufbreche, muss ich einen Narren davor beschützen, ein Heiliger zu werden. Leb wohl, Sidonia.«

11
    Schon seit Stunden harrte die dichte, wogende Menge aus. Gemurmel belebte den Plaza d’Obradoiro. Pastetenhändler liefen umher und boten ihre Ware feil. Andenkenhändler machten Geschäfte mit Miniaturen von Strohpuppen, die Sambenitos trugen. Ein gewitzter Gemüsehändler brachte seine faulenden Reste an den Mann, mit denen sich Ketzer trefflich bewerfen ließen. Musikquartette zogen umher, spielten Munteres auf Geige und Flöte oder Schwermütiges auf dem Dudelsack.
    Als in der Ferne Chöre angestimmt wurden, verstummte das lebhafte Summen. Soldaten der Santa Hermandad zwangen die Schaulustigen, eine Gasse für den Zug der Priester zu bilden. Messdiener trugen Standarten, große grüne Kreuze mit wehenden schwarzen Schleiern, ihnen folgten Mönche in weißen, braunen und schwarzen Kutten. Kirchliche Würdenträger in Purpur folgten. Endlich erschien der Bischof. Neben ihm schritt mit gesenktem Haupt Aleander. Seine Kutte leuchtete im Licht der Herbstsonne. Kurz vor der Tribüne schwenkten er und der Bischof nach links, um die Stufen zu der Empore hochzusteigen, auf der bereits der weltliche Richter Platz genommen hatte. In seinen Händen trug er den roten Stab, bereit, ihn über die Ketzer zu brechen.
    Das Rollen von Rädern kündigte die Ankunft der Schinderkarren an. Das Volk begann zu johlen. Nicht ganz so enthusiastisch wie sonst, aber früher oder später würden sich auch die Anhänger Fadriques dem Taumel anschließen. Tomaten und Steine flogen, als die ersten Karren mit Männern in den gelben Hüten der Sünder auftauchten. Begleitet wurden sie von Mönchen, die unablässig auf sie einredeten. Bei den Kreuzen angekommen, zerrte man sie von den Karren. Zwölf Ketzer sollten mit Fadrique sterben. Die meisten waren Brüder des Hieronymitenordens. Einige hatte die Folter zur Bekenntnis ihrer angeblichen Sünden bewegt, sie waren kaum fähig zu gehen.
    Zwölf Opfer. Aleander hatte die Zahl mit Bedacht gewählt – eine Anspielung auf die Jünger Jesu. Sein Blick auf die schreiende Menge verriet ihm, dass so viel Hintersinn verschenkt war, aber er liebte durchdachte Inszenierungen.
    Der Henker und seine Knechte führten die ersten Opfer an die Kreuze und trieben sie die Scheiterhaufen hinauf. Sie

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