Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition)
Zimenes ließ sie so plötzlich los, dass sie schwankte.
»Sidonia, für einen Mönch ziemt es sich nicht, eine Frau zu küssen. Gleichgültig, wie schön sie ist.«
Sidonia schlug ihm auf den Arm. »Lass deine Scherze, Gabriel. Sei doch bitte ernst. Einmal wenigstens, danach kannst du spotten so viel du möchtest. Ein Leben lang.«
Gabriel Zimenes wandte sich ab. »Sidonia, ich treibe keine Scherze mit dir und erst recht nicht mit meiner Berufung.« Er drehte sich wieder zu ihr um. »Ich bin ein Mönch. Ein Hieronymit, um genau zu sein.«
Sidonia wich zurück, stieß gegen die Lehne einer Kirchenbank und schüttelte den Kopf. »Du bist Arzt, kein Mönch.«
»Ich kann beides sein, Sidonia. Gestern nahm ich mein Noviziat im Kloster der Hieronymiten von Santiago wieder auf. Ich habe dem Padre versprochen, sein Werk fortzusetzen.«
Sidonia sank auf die Knie. »Du hast Fadrique gefunden?«
Gabriel nickte.
»Aber, aber – du hasst ihn!«
»Ich hatte ihn nicht verstanden. Ich hatte den Sinn und die Größe seiner Lehre nie verstanden – bis jetzt. Wusstest du, dass Aleander sein leiblicher Sohn ist?«
Sidonia schaute jäh auf. »Was hat das mit uns zu tun?«
»Er hat alles getan, um ihn zu schützen. So wie er alles tat, um mich und Mariflores zu retten. Er bot sein Leben gegen das unsere. Er schickte mich fort, weil er wusste, dass Aleander mich töten wollte. Und gerade jetzt ist er bei Aleander, um Lunetta zu retten. Sein ganzes Leben hat er den Verfemten geweiht. Allen – sogar Aleander. Nicht jedes Opfer hat eine schöne Seele. Gleichwohl, er verteidigt seinen Glauben, seine Lehren. Ich werde sein Werk nach seinem Tod fortsetzen.«
»Gehst du darum ins Kloster? Um ihm zu danken? Er würde das nicht wollen, er ...«
» Ich will es, Sidonia!«
»Du bist ein Kämpfer!«
»Mein Glaube ist keine Weltflucht, ich werde Fadriques Ideen lebendig erhalten und all das fortsetzen, was er begonnen hat. Es wird genug geben, für das ich kämpfen muss. Und wenn es dich tröstet, so dürfte das nicht ohne Gefahr für mein Leben abgehen.«
»Ja, denn du bist in Spanien bereits ein toter Mann, vergiss das nicht! Du bist ein gesuchter Ketzer.«
»Noch dazu einer, dessen Puppe man morgen ein weiteres Mal verbrennen wird.«
»Hör auf, dich über mich lustig zu machen. Du kannst nicht hierbleiben.«
»Ich bleibe nicht. Ich gehe in die Neue Welt zurück.«
»Und wer soll sich um Lunetta kümmern? Wer garantiert dir, dass sie leben wird? Du musst gegen Aleander antreten. Du musst! Alles andere wäre Mord an deiner Nichte.«
»Jemand anderes wird sich darum kümmern, ein geborener Kämpfer, der weit mehr Anlass hat, dem Mädchen beizustehen.«
»Du meinst den Padre?«
»Ich meine den Padre!«
»Aber er wird brennen!«
»Das wird er nicht, ich verspreche es dir.«
»Gabriel, bitte, was willst du in der Neuen Welt? Hast du mir nicht selbst erzählt, dass es dort nicht anders zugeht als hier? Nur noch blutiger, weil jeder Indio ermordet wird, der die Taufe verweigert?«
»Die Indios sterben auch dann, wenn sie die Taufe annehmen. Die Bergwerke überlebt keiner. Es gibt dort viel zu tun. Wusstest du, dass Christobal de Colón, wie man Kolumbus in Spanien nennt, wahrscheinlich Jude war? Es geht das Gerücht, dass er die Welt jenseits des Ozeans für das Volk Israels entdecken wollte.«
Sidonia fand das Gespräch unerträglich. »Was geht mich dieser elende Kolumbus an?«
»Nichts. Er versuchte anscheinend nur einen sicheren Fluchtpunkt für Spaniens Juden zu finden! Eine kluge Idee. Es gibt Männer in Westindien, die wie er denken. Hast du jemals von dem Mönch Bartolomé de las Casas gehört?«
»Was haben diese Namen mit uns zu tun? Gabriel!«
»Las Casas ist ein großer Missionar in der Neuen Welt. Er fordert die Abschaffung der Sklaverei, er ist streitbar. Vielleicht kann es gelingen, von Westindien aus eine Reform des Glaubens einzuleiten.«
Sidonia richtete sich langsam auf. »Gabriel, ich würde dir überallhin folgen! Wenn du in die Neue Welt willst, komme ich mit dir. Ich habe schon ganz andere Dinge unternommen.«
Gegen seinen Willen lächelte Zimenes. »Ja, ich weiß. Du bist einer der unvernünftigsten Menschen, die mir je begegnet sind.«
»Also bin ich dir ähnlich! Zusammen werden wir unschlagbar sein.«
Gabriel wandte sich ab. »Ich gehe als Mönch, Sidonia! So wie Fadrique einer war. Auch er verzichtete auf die Liebe seines Lebens, um sein Werk zu tun.«
Sidonia fasste ihn bei der Schulter:
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