Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition)
Platz erkannte, dass sein Tier Anlauf brauchte, um die Kette zu überspringen. Der Vermummte wendete sein Pferd und schien seinen Begleiter über seine Absicht zu informieren.
»Haltet sie fest«, schrie Aleander und drängte sich mit harten Püffen durch die Menge. »Haltet sie!« Seine Stimme wurde immer schriller. Er passierte die Scheiterhaufen, deren Flammen in sich zusammensanken. Der Henker blickte ihm fragend entgegen.
»Warte noch«, befahl Aleander.
12
Fluchend und hinkend entriss der Dominikaner einem Soldaten den Degen und hieb sich brutal eine Gasse. Endlich sprangen seine Männer auf ihre Pferde, ritten erbarmungslos Schaulustige nieder und erreichten die Flüchtenden, deren Pferde in einigem Abstand von der Kette umhertänzelten.
Der befreite Fadrique glitt von einem der Pferde hinab. Sein Retter gab dem Tier die Sporen, doch statt voranzugaloppieren, stieg es in die Höhe. Der Reiter hatte Mühe, sich im Sattel zu halten, bis sein Begleiter in die Zügel griff und das Pferd zu Boden zwang. Die Soldaten der Hermandad bildeten einen Ring um sie.
»Lauf!«, schrie einer der Vermummten Fadrique zu, der außerhalb des Ringes stand. »Verdammt, lauf!«
Aleander näherte sich keuchend. Den Degen hoch erhoben, drängte er sich durch den Kreis seiner Soldaten, die Feuerrohre auf die Eingekreisten richteten, während Kameraden brennende Luntenstangen bereithielten, um die Gewehre abzufeuern. Aleander ließ den Degen sinken. Hatte Lunetta ihm nicht den Angriff eines Ritters prophezeit? Dies waren keine Ritter. Er lächelte und ging demonstrativ langsam auf die Eingekesselten zu.
»Enthüllt eure Gesichter!« Als keiner von beiden gehorchte, zerrte Aleander den Schlankeren mit erstaunlicher Kraft vom Pferd und riss ihm Tuch und Pilgerhut vom Kopf.
»Sieh an, die schöne Sidonia! So heißblütig und unbedacht wie eh und je. Willkommen in Santiago. Immer noch auf Schatzsuche?«
Statt einer Antwort zückte Sidonia ihren Degen, ging einen Schritt nach hinten und warf den Kopf zurück. Rot flammten ihre Haare in der Herbstsonne auf.
»Wenn du mich verhaften willst, musst du mich töten.« Mit dem Ausfallschritt eines Fechters sprang sie vor, den Degen auf Aleanders Herz gerichtet.
»Das werde ich mit Vergnügen tun, aber auf meine Weise.« Einer seiner Soldaten trat schützend neben ihn. »Bleib auf deinem Posten, ich schaffe das allein«, zischte der Dominikaner. Er drehte Sidonia langsam den Rücken zu.
»Nun, du Braut des Satans, stich zu, es ist deine große Chance, mich zu töten. Ich bin wehrlos. Nur Gott ist an meiner Seite. Zeige uns, was für eine Sünderin du bist! Töte den Löwen des Glaubens.«
Seine Truppe beobachtete ihn mit zweifelndem Respekt. Hatten sie zuvor nur blind gehorcht, sah man jetzt in einigen Gesichtern Anerkennung aufblitzen.
Sidonia umklammerte ihren Degen fester. Ihr vermummter Begleiter glitt von seinem Pferd. Es war Goswin. »Lass mich das tun, mich verwirrt er nicht«, knurrte er und zog ein Kurzmesser aus seinem Gurt.
Die Soldaten der Santa Hermandad richteten ihre Gewehre auf ihn. Aleander stand seelenruhig mit dem Rücken zu seinen Angreifern, faltete die Hände zum Gebet. Wut und Ekel würgten Sidonia, sie schloss die Augen, ihre Hand umklammerte den Degengriff fester. Mit dem Ruf » ¡Ultreia es suseia! « stürmte sie vor.
»Halt.« Eine Hand legte sich leicht wie eine Feder auf ihren rechten Arm. Es war Fadriques Hand. »Und auch du«, wandte der Padre sich an Goswin, »steck in Gottes Namen das Messer weg.«
Aleander drehte sich lächelnd um. »Hört auf den Padre, er ist ein großer Menschenfreund. So groß, dass ihm kein Opfer zu viel ist, auch nicht das eures Lebens.«
Fadrique hob sein Haupt. »Lass die beiden frei, Aleander ...«
»Schweig, du Ketzer.«
»So spricht man nicht mit seinem Padre .«
Aleander zuckte kurz, dann holte er aus und ließ seinen Degen auf den Arm Fadriques niedersausen. Die Klinge zerteilte den dünnen Stoff des Büßerhemdes und hinterließ eine klaffende Wunde im Arm. Blut färbte das Hemd. Die Backen des Padres wurden schmal, er taumelte, seine Augen weiteten sich im Schmerz, aber er tat keinen Laut. Sidonia schrie auf und lief zu ihm hin.
»Fesselt sie, und führt den Padre zu seinem Scheiterhaufen!«, wies Aleander seine Soldaten an. Die Männer entwaffneten Sidonia und – nach einem kurzen Handgemenge – Goswin.
Das Volk auf dem Platz hatte mit gereckten Hälsen versucht, die Geschehnisse zu verfolgen. Als der Ring
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