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Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Titel: Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marisa Brand
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bewiesen. Der nackte Mönch hatte den Leib seines Pagen vollständig bedeckt, und der Page hatte nach mehr verlangt. Goswin spuckte voll Ekel aus. Es hatte ihm nicht geschmeckt, den Schiffsarzt Zimenes auf Befehl des Dominikaners zu verhaften, darum hatte er spioniert. Gewiss, dieser Zimenes hatte in Köln einen Degenkampf ausgetragen, aber wer den Zwist begonnen hatte, war unklar, und die Anklage dieses Mönches hatte ihn hellhörig gemacht. Er erkannte einen doppelzüngigen Schurken auf den ersten Blick. Nein, dieser Dominikaner konnte ihn nicht täuschen. Ihn nicht!
    Ein Matrose schubste Goswin zur Seite. »Steh hier nicht rum, dein Platz ist am Bug und bei den Kanonieren«, schnauzte er.
    Umzuckt von Blitzen jagte die Besatzung die Wanten hoch. Segel wurden gesetzt. Soviel Goswin verstand, wollte der Kapitän den nordwestlichen Wind aus den Bergen nutzen, um fortzukommen.
    Der Nachmittagshimmel färbte sich schweflig gelb. War es klug, bei diesem Wetter auf Fahrt zu gehen? Rund um das Schiff türmten sich hohe Wogen. Der Wind jaulte in der Takelage. Sollte der Kommandant nicht in den Schutz der Küste segeln und den Sturm vorbeiziehen lassen?
    Die Matrosen stellten keine Fragen. Sie hingen in den Wanten und Rahen und scheuerten sich die Hände an den Tauen auf. Die Segel bauchten sich wie Fässer. Die Negrona bäumte sich in der Dünung und gewann bockend Fahrt.
    Goswin wurde erneut beiseitegeschubst. Er sah, dass die Pilger bei der Reling knieten und beteten. Diesmal verlangten sie eine Mäßigung des Sturms. Blitze äderten den Himmel. Der zunehmende Wind riss ihnen ihr Ave Maria aus dem Mund, zerfetzte es in wirre Silben. Wellen brandeten über die Reling, brachen sich auf dem Deck. Schnell waren Besatzung und Passagiere bis auf die Haut durchnässt.
    Goswin erkämpfte sich einen Weg zur Schiffsspitze. Bei den Kanonen würde er sich nützlich machen. Wie die Matrosen zog er Arbeit dem Denken vor. Es galt, die Taue zu prüfen, mit denen die Geschütze an Deck festgezurrt waren. Eine lose Kanone bedeutete Lebensgefahr, und das Pulver musste trocken bleiben.
    Der Sturm gewann über die nächsten Stunden an Kraft. Der Kapitän musste die vage Hoffnung aufgeben, er könne sich – wie die meisten Seewinde – gegen Abend mäßigen. In der Biscaya herrschten andere Gesetze. Und Korsaren.
    Gegen sechs Uhr erspähte ein Mann im Krähennest zwei Karavellen. Übermütig wie Mädchen auf dem Weg zum Fandango stoben die Schiffe über das sturmgepeitschte Meer. Ihre dreieckigen Segel blähten sich im Dämmerlicht. Kein ehrlicher Seefahrer würde bei diesem Wetter von Land fortsegeln, das war klar. Wenig später gab die entfernt segelnde Karacke Rauchzeichen. Sie signalisierte Verfolger und – die Bitte um Beistand.
    Der Kapitän zögerte kurz, dann ließ er die Segelflächen der Negrona verkleinern. Das Marssegel an der Spitze des Hauptmastes und die oberen Leinwände wurden bis auf die Hälfte gerefft. Die verbleibenden Segel nahmen knallend die Wucht des Sturmes in Empfang. Die Negrona schoss nicht mehr majestätisch an Wellentälern und Wellenbergen vorbei. Sie wurde zum Spielball des Meeres, knirschte in allen Fugen. Der Wind heulte, und die Leuchtfeuer der Negrona tanzten in der aufziehenden Dämmerung.
    Die Passagiere, die sich in der Mitte des Schiffs zusammendrängten, verfolgten das Manöver mit bangem Staunen. Murren machte sich breit. »Was soll das?« – »Will er die Korsaren an Bord einladen?«
    Braumeister Sebald Rieter, der Führer der Kölner Pilgerschar, wandte sich an den Schiffschreiber. »Was beabsichtigt dein Kommandant? Bei dieser Geschwindigkeit werden die Korsaren uns einholen! Du hast uns Sicherheit an Bord garantiert. Siebzig Golddukaten hat die Passage gekostet und ...«
    Der Angesprochene kämpfte sich zum Kommandanten durch, der auf dem Achterkastell Befehl gab, beizudrehen. Unwirsch fertigte der Kapitän seinen Schiffsschreiber mit wenigen Worten ab, die der Mann den Passagieren überbrachte:
    »Er sagt, er segle mit leeren Toppmasten, damit die Korsaren uns erst spät am Horizont ausmachen können.«
    »Und warum lässt er beidrehen?«
    Der Schreiber zuckte die Schultern.
    »Er muss der Karacke Gelegenheit zum Aufholen geben«, ertönte gegen das Sausen des Sturms eine Stimme vom Hauptmast her.
    Die Pilger drehten die Köpfe. Gabriel Zimenes stand an das Holz gebunden auf Deck.
    »Was soll das heißen?«, fragte ihn ein entsetzter Passagier.
    Zimenes schüttelte die Locken. »Der Kapitän

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