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Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Titel: Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marisa Brand
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seine Kutte. »Eine Frau wie dich wird in Spanien jeder Dorfrichter ohne Prozess hängen.«
    Er hob die Lederbörse auf und entleerte sie auf dem Bett. Er griff nach dem Amulett. »Und sei es wegen Diebstahls. Woher hast du dieses indianische Götzenbild, Weib?«
    Sidonia schaute zu Boden.
    »Nun? Wer macht dir solche exotischen Geschenke? Wen kennst du, der im Neuen Indien war?«
    Sidonia schwieg beharrlich.
    »Einen Inquisitor kann man nicht täuschen. Ich weiß bereits, dass Gabriel Zimenes an Bord ist. Er reiste an der Seite meines Bruders. Du bist eine Närrin, wenn du glaubst, dass dieser Mann dir helfen wird.«
    Überrascht fuhr Sidonia hoch. Sie hatte es geahnt: Aleander kannte Zimenes! Aber wie kam der Mönch darauf, dass ausgerechnet Gabriel ihr helfen würde? Er verachtete sie. So wie sie ihn verachtete. »Ich kenne niemanden mit diesem Namen.«
    Aleander lächelte böse: »So? Glaube mir, dieser Mann ist bereits tot. Ich habe ihn gestern vom Kommandanten des Schiffes verhaften lassen.«
    Sidonia unterdrückte einen Laut des Entsetzens.
    »Solltest du zarte Gefühle für ihn hegen, so wird es mir ein Vergnügen sein, sein Sterben besonders prächtig zu inszenieren! Schließlich hat er in Köln den bedauernswerten Pancheo abgestochen, wie der Soldat der Kölner Gesandtschaft bezeugen konnte. In seiner Kabine fand sich ein Haufen Ketzerlektüre, und in Spanien liegt ein Urteil der Heiligen Inquisition gegen ihn vor.«
    »Er tötete Pancheo in Notwehr«, protestierte Sidonia.
    Aleander hob das Haupt, und Sidonia erkannte, dass er sie absichtlich provoziert hatte, um das Geständnis ihrer Bekanntschaft mit Gabriel zu erwirken.
    Sie senkte den Blick.
    Zimenes! Seine spöttischen Augen, seine schneidende Stimme, sein kalter Zorn – alles vereinigte sich in ihr mit einem Mal zum Bild des einzigen Mannes, der es mit Aleander aufnehmen konnte. Es war ein lichtumflossenes Bild – so dunkel Zimenes auch war mit seinen schwarzen Locken, seinen tiefbraunen Augen, seiner Düsternis. Anders als Aleander verachtete er das Leben nicht, gleichgültig, wie kalt er sich gab. Seine leidenschaftliche Rede im Hafen hatte ihn verraten. Er verachtete den Tod in jeder Form, besonders den Mord an Seelen! Und das könnte ihm genau die Macht und Stärke verleihen, die dem Dominikaner gefährlich war. Zimenes war ein Krieger des Lichts, kein Sklave der Finsternis wie Aleander. Diese Erkenntnis traf sie wie ein Schwerthieb. Sie hätte bei Zimenes bleiben sollen! Er wäre der gute Stern gewesen, den die Karte ihr in seiner Kabuse angekündigt hatte. Dass sie die Karte verkehrt herum gezogen hatte, war ein Hinweis gewesen, bei ihm zu verharren.
    Alles kommt zu dem, der warten kann , hatte Mariflores notiert. Wie Recht sie hatte. Sidonias Mut sank. Ungeduld war schon immer ihre größte Untugend gewesen. Zum ersten Mal begriff sie etwas von der versteckten Botschaft der Karten. Auch eine Warnung konnte ein Geschenk sein, ein Hindernis, eine Chance, über sich hinauszuwachsen.
    Ihre Augen suchten den Boden ab und blieben an dem Bild eines reitenden Skeletts hängen. Es war die Karte La muerte. Der Tod ritt auf einem weißen Pferd vor hellem Himmel über die Leiche eines Königs hinweg. Ein Kind und ein Bischof gingen ihm freudig entgegen. Sicher war es Mariflores am Ende so ergangen. Der Tod bedeutete das Ende aller Schmerzen und Irrtümer. Der Tod konnte ein Verbündeter sein – wenn auch der letzte. Verflucht! Sie wollte nicht sterben. Und sie wollte nicht, dass Gabriel starb. Sie hob den Kopf. »Mich interessiert dieser Mann nicht«, sagte sie mit gespielter Kälte.
    Aleander streichelte ihr über das Haar.
    »Oh Sidonia, was für ein schlechter Versuch, mich zu täuschen. Wie hättest du ohne männliche Hilfe hierher gelangen können? Zimenes ist ein Held der Frauen, der in lächerlicher Liebe an seiner Schwester hing. Die Damen schätzen ihn, und ausgerechnet du mit deinen Träumen von Rittern und Abenteurern willst die Ausnahme sein?«
    Bevor Sidonia antworten konnte, erscholl der Ruf »¡Viento!« – Wind. Mehr als Wind. Ein Sturm zog hoch, in der Ferne rollte ein Donner. Das Schiff verfiel in rollende Bewegungen, die nichts Gutes verhießen. War das die Antwort Gottes auf die Gebete der Pilger?
    Oder, dachte Sidonia wütend, war es die Antwort des Tarots auf ihren Wunsch nach Leben?

10
    Er hatte einen Riecher für Heuchler und Sünder. Wie widerlich dieser Dominikaner war. Stinkender Auswurf, das hatte ihm sein Blick ins Zelt

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