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Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Titel: Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marisa Brand
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würden, einen Rosenkranz zu beten.
    Der Brauer Sebald Rieter übertrumpfte seine Reisegenossen mit einem Versprechen von fünfzig Dukaten für die Kathedrale von Burgos, die während der letzten Jahrzehnte von einer Kölner Baumeistersippe gestaltet worden war. Seine Großzügigkeit entsprach seinem kölnischen Geschäftssinn. Die Spende würde auch Kaiser Karl gefallen und ihn vermuten lassen, dass von den Herren der Domstadt noch mehr Geld zu erwarten war.
    Rieter lag daran, Köln als Ratsherr würdig zu vertreten. Es hing viel vom Wohlwollen des Kaisers ab. Etwa der Entzug der Braurechte für die Klöster der Domstadt. Der Rat würde einiges dafür springen lassen müssen, um das zu erreichen. Dukaten nahm Karl wie Birnen, er brauchte sie für seine Feldzüge. Im Osten drohten Türken, auf italienischem Boden kämpfte er mit Frankreichs König und dem Papst, in Deutschland gegen den Ketzer Luther und überall gegen Piraten. Er hatte riesige Schulden. Die Zinsen überstiegen die Einnahmen aus der Alten und der Neuen Welt. Gegen bares Geld war vom Kaiser manches zu haben: Schürfrechte in Peru, Quecksilberminen in Österreich, das Handelsmonopol für Negersklaven, das sich die deutschen Welser gesichert hatten, außerdem spanische Bischofshüte, Hofämter, Landgüter sowie Zoll-und Steuerrechte, die den Kölnern wie Riete am Herzen lagen.
    »Diese Narren behandeln Gott wie einen Krämer«, knurrte Aleander in seinem weißen Zelt. Er saß an einem Brettertisch, der ihm als Schreib-und Essplatz diente. Die Ration Schweinepökel, die ihm ein Schiffsjunge gebracht hatte, stand unberührt da. Er hatte nach Hühnchen verlangt, doch der Schiffsjunge hatte den Wunsch ignoriert. Sidonia hatte nur Zwieback verspeist.
    Ein Bretterverhau bildete die Rückwand des Zeltes, davor war ein Bettgestell mit Vorhängen im Deck verankert. Auf diesem Bett lag Sidonia und fächelte sich Luft zu. Die Frische der Nacht war brütender Hitze gewichen. Widerwillig betrachtete sie Aleanders blonde Tonsur und seinen langen Rücken. Mit gebeugten Schultern saß er an seiner Theorie über das pyramidale Schweigen des Buchstabens A. Eine Feder kratzte über Papier.
    Als sie zum ersten Mal einen Blick auf den Stapel Blätter geworfen hatte, die er mit spinnendürren Buchstaben füllte, hatte sie Neugier überfallen. Was schrieb dieser Dämon? Eine Offenbarung seiner nachtschwarzen Seele? Anklageschriften?
    In den Momenten seines Schlafes – und Aleander schlief viel – hatte sie einige Seiten gelesen und wurde enttäuscht. Es handelte sich um eine Schrift für die Pariser Universität, mit der er einen Professorentitel zu erlangen suchte. Paris! Hatte dort nicht auch Gabriel studiert? Was der Dominikaner verfasste, war langweilig und gespreizt. Soviel sie verstand, ging es um den Ursprung der Sprache aus Gott und das Mysterium der Buchstaben. Er ließ sie gegeneinander antreten wie Soldaten, lobte das A für sein »pyramidales Schweigen« und seine göttliche Perfektion, kritisierte das B für seine Behäbigkeit und belegte seine Ansichten mit Wortketten und Zitaten aus der scholastischen Lehre. Seine Beweise waren geschwätzig und unglaubwürdig. Zu gerne hätte sie einen Kommentar Gabriels darüber gehört.
    Beim Buchstaben C hatte Sidonia beschlossen, diesen Unsinn für Unsinn zu halten, zumal Aleander einen Denkfehler machte: Gottes erste Sprache – so es eine solche gab – müsste das Hebräische sein, nicht das Lateinische. Und für wen hielt er sich überhaupt, Gottes Sprache auf die Schliche kommen zu können? Fast war es ihr peinlich zu entdecken, dass der Dominikaner bei aller Schläue unendlich dumm war – oder waren das am Ende viele der großen Gelehrten der Theologie? Nicht alle. Gabriel war anders. Seufzend ließ sie sich ins Kissen sinken. Wieso quälte sie sich mit Gedanken an diesen Mann. Ihre Lage war schlimm genug.
    Aleander fuhr herum. »Du störst mich bei der Arbeit!« Sein Gesicht war rot vor Zorn und Hitze. Sie ahnte den Grund: Der Kampf mit den Buchstaben war ein vergeblicher, und bei aller Eitelkeit schien er seinen Mangel an Intellekt zu ahnen.
    »Ist mein Schweigen nicht pyramidal genug?«, entschlüpfte es Sidonia. Sie bereute ihre Frechheit sofort.
    Aleander stieß seinen Stuhl nach hinten und näherte sich dem Bett. »Du hast in meinen Papieren geschnüffelt!«
    Sidonia zog sich an die Bretterwand zurück. »Ich habe nur einen Blick darauf geworfen.«
    »Und nichts verstanden. Nichts! Ich werde dir wohl wieder

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