Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition)
hat er zu viele Freunde, darunter den Erzbischof.«
»Den Erzbischof von Santiago?« Entsetzen färbte die Stimme des Abtes.
Schroff erwiderte Aleander: »Er ist noch immer ein Freund der Humanisten und wechselt wie Fadrique Briefe mit diesem elenden Erasmus von Rotterdam. Sie glauben an Milde und Toleranz im Umgang mit Ketzern. Sie sind die Pest unserer Zeit! Die Menschen brauchen Führung, sonst versinken sie in Chaos und Dunkelheit, aber diese neuen Philosophen schwärmen vom Licht der Wahrheit und der Freiheit des Geistes. Und nun berichte endlich.«
»Meine Kehle ist trocken und die Geschichte lang. Gebt mir von dem Malvasier dort. Der Weinkeller dieses Klosters ist berühmt. Berühmter als der von San Zoilo.«
»Hier hast du Wasser gegen den Durst. Wein kannst du später haben, so viel du magst.«
Der Abt schnaufte. »Das ist nicht christlich gehandelt, Bruder. Bedenke die Entbehrungen meiner Reise! Vier Tage in einem holpernden Karren, mit einem Maultier über die Berge, wo es von Wölfen wimmelt, und dann ein endloser Fußmarsch. Sieben Tage war ich unterwegs. Dazu der schweinische Fraß in den Herbergen. Ranzige Kastanien und Stockfisch. Diese Reise hätte mich töten können.«
»Lerne dein Fleisch abzutöten, und derlei Mühseligkeit wird dir wie Gottes reine Güte erscheinen. Nun sprich.«
Die Polsterriemen eines Stuhles ächzten. Der dicke Abt musste Platz genommen haben.
»Nun, ähm, der Padre verbrachte, wie du angeordnet hast die letzten Monate bei strengstem Fasten in unserer Bußzelle. Sie ist nicht viel größer und höher als ein Sarg. Er konnte nur sitzend schlafen. Jeden dritten Tag gaben wir ihm Brei mit Asche, dazwischen nur Wasser, und auch das nur dann, wenn ihm der Rachen vor Durst geschwollen war.«
Der Abt trank mit glucksenden Geräuschen. »Wir achteten darauf, dass er den Blick gesenkt hielt, die Hände in den Ärmeln der Kutte versteckte und nur kniend betete. Er gab uns keinen Anlass, zur Dornenrute zu greifen!«
»Keinen?«
Die Schärfe in Aleanders Stimme ließ den Abt hastig fortfahren: »Keinen. Außer, dass er die ganze Zeit über lächelte! Er lächelte! Darf man einen Mönch darum züchtigen?«
»Das kommt auf das Lächeln an.«
»Nun, es war kein freches Grinsen, kein Lachen der Belustigung. Mehr ein, ja, dankbares Lächeln. Die wachhabenden Brüder wurden halb wahnsinnig, während sie Fadrique in seiner Demut betrachteten. Einige gingen so weit, mich um Nachsicht für ihn zu bitten ...«
Aleander fluchte.
»Keine Angst, ich wurde nicht schwach. Nicht bei einem Hieronymitenmönch. Alle Welt weiß, dass diese humanistischen Brüder es mit den Juden halten. Sie verteidigen die Neuchristen, diese angeblich Bekehrten, und nehmen sie in ihre Reihen auf.« Der Abt ereiferte sich immer mehr. »Verfluchte Judenbrut! Diese generatio perversa und diabolo filii , hebräische Satanisten allesamt. Mich wundert, dass der Kaiser die Hieronymiten so milde behandelt. Genau wie die religiösen Schwärmer, die Alumbrados, die Gott ohne kirchliche Vermittlung mit dem Herzen erkennen wollen. Einer dieser Erleuchteten nahm sogar an des Kaisers Hochzeit im vergangenen Jahr teil, obwohl eine Anklage gegen ihn vorliegt. Es ist mit diesen Ketzern wie mit den Läusen, je stärker man sich juckt, umso ärger beißen sie ...«
»Du schweifst ab«, ermahnte ihn der Dominikaner.
»Verzeih, aber bei diesem Thema reißt es mich hin. Noch immer ist das herrliche Werk der katholischen Könige Isabella und Ferdinand nicht vollendet. Noch immer gibt es heimliche Juden und Mauren in unserem Land. Stinkende Schweine allesamt, die es ablehnen, Schinken zu essen, die an den Freitagen Huhn braten statt Fisch.«
»Ich will nichts über Essen hören! Was geschah mit Padre Fadrique?«
»Ich erlegte ihm eine härtere Buße auf. Jeden Mittag stellte ich ihn gegen die glutheiße Mauer des Klosters – und du weißt, wie heiß die Sonne auf der Meseta brennt. Es ist die Hölle. Dort hatte Fadrique – der inzwischen dünn wie Papier war – laut um Sündenvergebung zu beten, ohne eine Silbe auszulassen, ohne einen Versprecher. Selbst die jüngsten Brüder unseres Konvents stehen diese Übung selten länger als drei Stunden durch, bis sie umfallen.« Der Abt räusperte sich und trank wieder mit lautem Glucksen.
»Und?«
»Nun ja. Der Padre – wie soll ich sagen ... Also, er fiel nicht um, und er betete. Bis in die Nacht hinein. Er betete sehr laut. Mehr als eine Woche ging das so. Es wurde eine Prüfung
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