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Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Titel: Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marisa Brand
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für uns. Er war standhaft wie ein Säulenheiliger in Ägyptens Wüste.«
    »Komm endlich zum Schluss! Wie geht es dem Padre jetzt?«
    »Eben das ist die ärgerliche, höchst ärgerliche und unerwartete Seite an der ganzen Angelegenheit ...«
    »Ist er tot?«
    Sidonia hielt auf ihrem Horchposten die Luft an.
    »Wenn es nur das wäre!«
    »Was soll das heißen?«
    »Am vierzehnten Tag der Übung geschah etwas Seltsames. Padre Fadrique stand wieder in der Sonne, als plötzlich Blut aus seinen Augen tropfte. Er weinte Blut! Und dann ...«
    »Starb er?«
    »Seine Füße hoben sich von der Erde. Sie hoben sich von der Erde, und er schwebte! Schwebte eine Handbreit über dem Boden, so wahr mir Gott helfe!«
    »Ist er tot?«
    »Ich weiß es nicht!«
    Aleanders Faust ging krachend auf einem Tisch nieder. Der Abt quiekte vor Entsetzen. Ein Stuhl fiel um.
    »Kannst du einen Lebenden nicht von einem Toten unterscheiden?«
    »Das kann ich sehr wohl, aber hier geht es eher darum, einen Heiligen von einem Hexer zu unterscheiden. Ich meine, so sah es das Volk.«
    »Welches Volk?«
    »Einer unserer Knechte muss im Dorf von der Standfestigkeit des Padre geredet haben, von seinem Lächeln und den blutigen Tränen, von seinem Schweben. Du weißt, wie das geht, ein Wort gibt das andere. Die Leute haben nicht viel außer ihren Geschichten von Wundern und Heiligen. Jedes Dorf am Jakobsweg wetteifert darum, einen neuen Heiligen zu haben, ein Wunder, das Pilger anzieht und damit Geld. Einige Bauern müssen sich in den Bäumen rund um unser Kloster verborgen haben, um den betenden Büßer zu betrachten ...«
    » Wo ist Padre Fadrique?«
    Die Stimme des Abtes sank zu einem Wispern zusammen. »Sie haben ihn weggeholt. Sie haben ihn eines Tages einfach aus dem Kloster geholt und fortgebracht. Auf ihren Schultern haben sie ihn getragen.«
    »Wer?«
    »Die Bauern. Die Hirten, sogar die Weiber! Sie waren bewaffnet! Wir konnten nichts tun.«
    »Bewaffnet? Womit?«
    »Nun ja, mit Dreschflegeln und Eisengabeln. Wie die Teufel sahen sie aus, die Sonne glühte auf dem Stahl ihrer Pflugscharen, Fanatiker sage ich dir ...«
    »Hast du das Dorf nach Fadrique durchsuchen lassen?«
    »Ich rief die Santa Hermandad zu Hilfe, aber egal wie viel der tumben Leute sie durchprügelten, keiner verriet etwas. Sie müssen den Padre fortgebracht haben, in die Berge. Alle sprachen nur von San Fadrique, el eremito del sangre , dem Eremiten des Blutes ... Stell dir vor, sie heiligen bereits seinen Namen!«
    »Das werde ich ihnen austreiben!«
    »Gewiss, aber es kommt noch schlimmer. Bevor ich aufbrach, erhielt ich einen Brief vom Erzbischof von Santiago. Ihm sei von Jakobspilgern zu Ohren gekommen, dass in der Nähe unseres Klosters ein Erleuchteter predige! Er will umgehend einen Bericht! Und er will wissen, um wen es sich handelt. Du hast eben gesagt, der Bischof schätze Fadrique. Ich hoffe, du hast ihm nichts über dessen Verbleib gesagt?«
    »Ich bin kein Narr!«
    »Was soll ich dem Erzbischof dann schreiben?«
    »Nichts. Ich werde ihn unverzüglich in Santiago aufsuchen. Und nun verschwinde, damit ich meine Abreise vorbereiten kann.«
    »Aber, was ist mit einem Imbiss? Einer Mahlzeit? Ich habe nicht den mühsamen Weg an die Küste auf mich genommen, um nun zu verhungern. Nach all diesen Entbehrungen und den Anstrengungen um Fadrique. Es fiel mir auch nicht leicht, so verschwiegen zu sein. Wie gerne hätte ich über meine Erlebnisse gesprochen! Trost gesucht oder an höherer Stelle gebeichtet ...«
    Das Klimpern von Münzen erklang. Der Abt bekundete unterwürfigsten Dank, dann klappte eine Tür. Die sich kurz darauf wieder öffnete.
    Aleander erteilte mit sanfter Stimme einen Befehl: »Sorg dafür, dass der Abt eine üppige Mahlzeit und reichlich Wein erhält. Dann ruf einen Vertreter der Heiligen Bruderschaft. Man soll den Abt festsetzen.«
    Sein Gegenüber schien schweigend eine Frage zu stellen.
    »Er hat eben gestanden, einem üblen Ketzer Unterschlupf in seinem Kloster gewährt zu haben. Ich werde noch heute eine Anklage gegen den Abt verfassen und dem Officium von Santander zukommen lassen.«
    Das Gespräch schien beendet. Sidonia vernahm das Schlappen von Leder auf Stein. Das Geräusch näherte sich ihrer Tür. Rasch floh sie zu einem Stuhl beim Fenster. Als sich der Schlüssel im Schloss ihrer Kammer drehte, saß sie – in den Ausblick vertieft – am Fenster. Möwen kreisten über der Bucht, Fischerboote kehrten in den Hafen zurück. Bunte Nachen, deren

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