Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Titel: Die Tarotspielerin: Erster Band der Tarot-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marisa Brand
Vom Netzwerk:
nachzudenken. Der Wein. Die dunklen Beeren. Noch einmal fuhr sie hoch. Bei Gott, der Wein! Es gab keinen Zweifel, dies war eine Falle.

7
    Als sie erwachte, umgab sie gleißendes Licht. Sidonia öffnete benommen ihre Augen und schloss sie – von der Helligkeit geblendet – wieder. War dies das himmlische Licht und sie eingegangen in die Herrlichkeit und Ewigkeit Gottes? Unsinn, schalt sie sich, als sie das Fauchen des Windes vernahm, der an ihrem Rock zerrte. Rock?
    Sidonia riss die Augen auf und rappelte sich auf dem steinigen Untergrund nach oben. Ungläubig betastete sie die Kleidungsstücke, die sie gestern in Torrelavega beim Tuchhändler gekauft hatte. Lediglich ihre Reitstiefel, in denen ihre Füße steckten, erinnerten noch an die Pagentracht. Suchend schaute sie sich um, sah weiße, nackte Felsen. Durchsetzt war die Landschaft von krautig bewachsenen Steinfeldern, auf denen in kurzer Entfernung ein Maultier graste.
    Mit offenem Mund drehte Sidonia sich mehrmals im Kreise. Sie stand auf einem Hochplateau über waldigen Hängen und Bergkuppen, die sich scheinbar endlos bis zum Horizont reihten. Blau erhoben sich dazwischen schneebedeckte Gipfel. Wie war sie hierhergekommen? Und wer hatte ihr die neue Kleidung angelegt?
    Mühsam erinnerte sie sich an die Szene in der Mönchszelle, erinnerte Bruchstücke ihrer Unterhaltung mit dem Dominikaner. Psalme hatte er zitiert, von Wölfen gesprochen, von frommen Männern, Ketzern und Messern. Bei diesem Wort blickte sie zu dem Maultier hinüber. Es war mit einer Decke gesattelt, ein Strick bildete das Zaumzeug, von seinem Rücken hingen zwei Lederbeutel herab. Rasch eilte sie zu dem Tier.
    In den Beuteln fand sie ihre Habseligkeiten verstaut. Das Geld schien unberührt, auch die Tarotkarten waren da. Ihre Vorräte an Hülsenfrüchten und der Zunderschwamm. Zwei Dinge allerdings fehlten: ihr Messer und das Buch von Mariflores. Stattdessen fand sie einen Fladen Brot und eine Ecke harten Ziegenkäse. Wer immer die Satteltaschen gepackt hatte, wollte, dass sie überlebte in diesem Nirgendwo. Hungrig biss sie in den Käse.
    Noch einmal schritt sie das Hochplateau ab, rätselte, warum der Dominikaner sie erst eingesperrt hatte, um sie dann hier auszusetzen – bar ihrer Verkleidung. Hatte er die ganze Zeit gewusst, dass sie kein Mann war? Wollte er sie strafen, indem er sie hier aussetzte – fern von jeder Behausung, ohne Kenntnis der Wege? Welcher Wege überhaupt?
    Der Wind fuhr ihr zwischen die Beine, zauste ihr Haar, heulte und fauchte, als wolle er sein Reich gegen sie verteidigen. Dies war kein von Gott erwählter, sondern ein von Gott verlassener Ort. Sidonia ahnte, dass es hier bei Nacht kalt werden würde. Es war besser, sich auf den Weg zu machen.
    Sie spähte nach allen Seiten hinab, entdeckte aber keinen Pfad, auf dem sie hierhergebracht worden sein konnte. Die Wälder unter ihr bildeten ein so dichtes Dach, dass die Lichtung, auf der das Kloster stehen musste, verborgen war. Der Dominikaner wollte nicht, dass sie in die Einsiedelei zurückkehrte.
    Nachdem sie die Hänge des Plateaus untersucht hatte, entschied sie sich, den Abstieg dort zu wagen, wo das Maultier graste. Sie löste den Strick, der um einen Stein gewunden war, und zog daran. Das Tier sträubte sich und trappelte auf schweren Hufen in die entgegengesetzte Richtung. Sidonia zuckte mit den Achseln und folgte ihm. Der Maulesel tauchte zwischen Salbeibüschen ab, unter denen sich ein kaum zwei Fuß breiter Viehtriebweg nach unten schlängelte.
    Sidonia folgte halb gehend, halb rutschend. Geröll löste sich unter ihren Füßen und sprang mit spitzen Geräuschen den Abhang hinab. Auf diese Weise arbeiteten das Tier und Sidonia sich beinahe zwei Stunden den schroffen Berghang hinunter. Sidonia war froh über die festen Sohlen ihrer Reitstiefel. Wer immer so umsichtig gewesen war, sie ihr zu lassen, musste dieses Gelände kennen.
    Aber dies konnte unmöglich der Weg zum Kloster sein. Nie und nimmer hätte man sie über den schmalen Pfad zu dem Plateau hinaufbringen können. Wohin aber führte er dann? Schweiß bildete sich auf ihrer Stirn. An manchen Stellen war der Weg so abschüssig, dass Sidonia sich mit den Händen in harten Ginster krallen musste. Wie lautete noch der 121. Psalm? Ich richte meine Augen auf die Berge; von dort wird meine Hilfe kommen. Unsinn.
    Sidonia wollte nur eins: so schnell wie möglich von diesem Berg in ein Tal oder eine Senke hinab. Bei Finsternis wäre dieser Weg eine

Weitere Kostenlose Bücher