Die tausend Herbste des Jacob de Zoet
soll sie ihnen helfen.»
Das Waschhaus, ein langgestreckter Anbau neben der Küche, verfügt über zwei Feuerstellen zum Wassererhitzen, zwei große Waschzuber und ein Bambusgestell, auf dem die Wäsche getrocknet wird. Orito und Kagerō holen mit Eimern Wasser aus dem Teich im Innenhof. Um einen Zuber zu füllen, müssen sie zwischen vierzig- und fünfzigmal gehen. Während der ganzen Zeit sprechen sie nicht ein Wort. Anfangs war die Samuraitochter von der Arbeit erschöpft, aber nun sind Arme und Beine kräftiger, und die Blasen an ihren Händen sind dicken Schwielen gewichen. Yayoi kümmert sich um das Feuer.
«Bald ...», die fette Ratte balanciert auf dem Abfallkarren, «... ist dein Bauch genauso dick wie ihrer.»
«Die Hunde werden mich nicht anfassen», murmelt Orito. «Wenn es so weit ist, bin ich nicht mehr hier.»
Sie rutscht auf der Treppe zur Küche aus und verschüttet ihren Eimer.
«Ich weiß gar nicht», sagt Kagerō kalt, «wie wir früher ohne dich zurechtgekommen sind.»
«Der Boden musste sowieso mal wieder geputzt werden.» Yayoi hilft Orito beim Aufwischen.
Als das Wasser heiß genug ist, legt Yayoi Bettzeug und Nachthemden in die Zuber und rührt. Orito holt die Wäsche mit einer Holzzange heraus und legt sie tropfnass auf die Wäschepresse, einen abgeschrägten Tisch mit Klapptür. Kagerō schließt die Tür und drückt das Wasser aus. Dann hängt sie die feuchte Wäsche auf den Bambusständer. Durch die Küchentür erzählt Sadaie Yayoi ihren Traum der vergangenen Nacht. «Es klopfte am Tor. Ich verließ meine Zelle ... es war Sommer - aber es fühlte sich nicht so an, auch nicht wie Nacht oder Tag. Das Haus war menschenleer. Aber es klopfte weiter, und ich rief: ‹Wer ist da?› Eine Männerstimme antwortete: ‹Ich bin’s, Iwai.›»
«Schwester Sadaie hat vergangenen Sommer ihre erste Gabe entbunden», erklärt Yayoi Orito.
«Geboren am fünften Tag des fünften Monats», sagt Sadaie, «am Tag des Knabenfestes.»
Das Datum weckt in den Frauen Erinnerungen an Karpfenwimpel und feierliche Unschuld.
«Also nannte Abt Genmu ihn Iwai», fährt Sadaie fort, «wie in ‹Feier›.»
«Eine Brauerfamilie namens Takaishi in Takamatsu», sagt Yayoi, «hat ihn adoptiert.»
Orito ist in einer Dampfwolke verborgen. «Jetzt verstehe ich.»
Asagao sagt: «A’ her du ̕ h olltest von deine n Trau n erzählen, Sch’hester ...»
«Nun», Sadaie scheuert einen Topf mit eingebrannter Reiskruste, «ich war erstaunt, wie schnell Iwai erwachsen geworden war, und hatte Furcht, er könnte Schwierigkeiten bekommen, weil er gegen die Vorschrift verstoßen hatte, die Gaben den Zutritt zum Berg Shiranui verbietet. Aber», sie blickt hinüber zum Gebetsraum und senkt die Stimme, «ich musste den Riegel vom inneren Tor einfach lösen.»
«Der Riegel von inneren Tor», fragt Asagao, «’ha r innen, sagst du?»
«Ja, das stimmt. Das ist mir gar nicht aufgefallen. Das Tor ging auf ...»
Yayoi ruft ungeduldig: «Was hast du gesehen, Schwester?»
«Vertrocknete Blätter. Keine Gabe, kein Iwai, nur vertrocknete Blätter. Der Wind blies sie davon.»
«Also das ...», Kagerō klappt die Tür zu, «... ist ein schlechtes Omen.»
Sadaie bekommt es mit der Angst zu tun. «Glaubst du wirklich, Schwester?»
«Wie sollte das ein gutes Omen sein, wenn deine Gabe sich in vertrocknete Blätter verwandelt.»
«Schwester Kagerō ...», Yayoi rührt im Kessel, «... du machst Sadaie Angst.»
«Ich sage nur die Wahrheit.» Kagerō drückt das Wasser aus. «So, wie ich es sehe.»
« ’h ürdest du», fragt Asagao Sadaie, «I’ h ais ’ h ater an seiner Sti nn e erkennen?»
«Genau!», sagt Yayoi. «Dein Traum hat dir etwas über Iwais Vater erzählt.»
Selbst Kagerō findet Geschmack an dieser Idee. «Welche Mönche waren deine Gabenspender?»
Hausmutter Satsuki betritt das Waschhaus mit einer Kiste Waschnüsse.
Der erhabene Sonnenuntergang taucht den von Schneeadern überzogenen Kahlen Gipfel in fischblutrosa Licht. Der Abendstern ist nadelspitz. Aus der Küche dringen Rauch und Essensdünste. Mit Ausnahme der beiden, die in dieser Woche Küchendienst verrichten, haben die Schwestern jetzt Freizeit, bis kurz vor dem Abendessen Meister Suzaku kommt. Orito unternimmt einen Spaziergang durch die Wandelgänge, um ihren Körper von dem bohrenden Verlangen nach Trost abzulenken. Einige Schwestern sitzen im Langen Raum und färben sich die Gesichter weiß oder die Zähne schwarz. Yayoi ruht sich in ihrer Zelle
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