Die tausend Herbste des Jacob de Zoet
zu färben, und man möchte kaum glauben, dass schon bald ein neuer Herbst ins Haus steht.›»
«Sie drückt sich genauso gewählt aus wie ihre Mutter», murmelt Minori.
«Verglichen mit Noriko-chan», seufzt Kiritsubo, «ist mein Tarō ein richtiger Dummkopf.»
In ihren Neujahrsbriefen , fällt Orito auf, bekommen die «Gaben» ihre Namen zurück.
«Aber woher soll ein fleißiger Brauerbursche wie Tarō denn die Zeit nehmen, die Färbung der Beeren zu betrachten?», wendet die stolze, bescheidene Hatsune ein. «Ich bitte die Jüngste Schwester fortzufahren.»
«‹Wieder einmal ist es Zeit›», liest Orito, «‹;meiner lieben Mutter auf dem fernen Berg Shiranui einen Brief zu schreiben. Im vergangenen Frühling, als dein Brief aus dem ersten Monat in der Schneiderei Weißer Kranich eintraf, gab mir Ueda-san ...›»
«Ueda-san ist Noriko-chans Meister», erklärt Sadaie, «ein berühmter Schneider in Miyako.»
«Tatsächlich?» Orito hat das schon zehnmal gehört. «‹... gab mir Ueda-san einen halben Tag frei, damit ich seine Ankunft feiern konnte. Bevor ich es vergesse, Ueda-san und seine Frau senden dir ihre aufrichtigsten Grüße.›»
«Was für ein Glück», sagt Yayoi, «dass sie eine so ehrbare Familie gefunden hat.»
«Die Göttin kümmert sich um all ihre Gaben», sagt Hatsune feierlich.
«‹Deine guten Neuigkeiten, Mutter, haben mir dieselbe
Freude bereitet, die du, wie du so freundlich schreibst, über mein törichtes Gekritzel empfindest. Wie wunderbar, dass du erneut mit einer Gabe gesegnet wurdest. Ich werde dafür beten, dass sie eine Familie findet, die so fürsorglich ist, wie die Uedas es sind. Bitte danke Schwester Asagao dafür, dass sie dich während deiner Brustkrankheit gepflegt hat, und danke bitte auch Meister Suzaku für die tägliche Fürsorge.›» Orito hält inne und fragt: «Brustkrankheit?»
«Ach, das war nur ein schlimmer Husten! Meister Genmu schickte den Novizen Jiritsu - möge seine Seele in Frieden ruhen - hinunter nach Kurozane, um frische Kräuter von der Heilerin zu holen.»
Eine Krähe , denkt Orito sehnsuchtsvoll, könnte in einer halben Stunde zu Otanes Schornstein fliegen.
Sie denkt an ihre Reise nach Kurozane im vergangenen Sommer und möchte in Tränen ausbrechen.
«Schwester?», fragt Hatsune besorgt. «Fehlt dir etwas?»
«Nein. ‹Zwei große Hochzeiten bei Hofe im fünften Monat und zwei Beerdigungen im siebten brachten dem Weißen Kranich eine reiche Fülle von Aufträgen. Ich hatte in jeder Hinsicht ein glückliches Jahr, Mutter, obgleich ich erröte, während ich das schreibe. Ueda-sans Hauptlieferant für Brokatstoffe, ein Händler namens Koyama-san, besucht den Weißen Kranich alle zwei bis drei Monate mit seinen vier Söhnen. Einige Jahre lang wechselten Shingo-san, der jüngste Sohn, und ich höfliche Worte, während ich bei der Arbeit saß. Im vergangenen Sommer aber, während des Obon-Festes, wurde ich ins Gartenteehaus gerufen, wo ich zu meiner Überraschung Shingo-san, seine Eltern, Ueda-san und meine Herrin vorfand.› Orito hebt den Blick und sieht die verzückten Gesichter der Schwestern. «‹Sicher hast du schon erraten, was dort im Gange war, Mutter - aber ich dummes Ding war ahnungslos.›»
«Sie ist nicht du hn ’, Sch’ h ester», versichert Asagao Hatsune, «nur rein und unschuldig.»
«‹Wir unterhielten uns›», fährt Orito fort, «‹über Shingo-sans zahlreiche Begabungen und meine armseligen Fähigkeiten. Ich bemühte mich, meine Schüchternheit zu überwinden, ohne vorlaut zu wirken, und hinterher -›»
«Ganz so», gluckst Sawarabi, «wie du es ihr vor zwei Jahren geraten hast, Schwester.»
Hatsune glüht vor Stolz. «‹Und hinterher beglückwünschte mich meine Herrin, ich hätte einen gefälligen Eindruck hinterlassen. Dann kehrte ich zurück zu meiner Arbeit. Ich fühlte mich durch das Lob geehrt, aber ich nahm an, ich würde erst bei ihrem nächsten Besuch im Weißen Kranich wieder von den Koyamas hören. Ich wurde rasch eines Besseren belehrt. Ein paar Tage später, am Geburtstag des Kaisers, lud Ueda-san alle Lehrlinge in den Yoyogi Park ein, damit wir uns am Feuerwerk am Kamo erfreuen konnten. Die aufplatzenden roten und gelben Blüten am Nachthimmel waren ein zauberhafter Anblick! Als wir zurückkamen, rief der Herr mich in sein Schreibzimmer, wo die Herrin mir mitteilte, die Koyamas hätten vorgeschlagen, ich solle die Frau ihres jüngsten Sohnes Shingo werden. Ich kniete vor ihnen, Mutter, als
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